Trauer um Schimon Peres
Der Friedensnobelpreisträger Schimon Peres ist im Alter von 93 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Er war zweimal Premier und zwischen 2007 und 2014 Präsident Israels. Einige Kommentatoren bedauern, dass der von ihm angestoßene Friedensprozess bis heute nicht erfolgreich war. Andere kritisieren ihn als Politiker der unerfüllten Wünsche und Erwartungen.
Friedensverhandlungen wären die größte Ehre
An der Zeremonie zur Beisetzung von Schimon Peres nehmen am heutigen Freitag Vertreter aus über 70 Ländern teil. Die größte Ehre für den einstigen israelischen Präsidenten wäre, sich weiter um den Frieden zu bemühen, mahnt El Mundo:
„Heute nehmen wir auch Abschied von einem Politikverständnis auf der Grundlage des Dialogs, des Friedens und der Versöhnung - Werten, die heute den beiden Völkern gut täten, die keine Lösung für ein friedliches Zusammenleben finden. ... Mit ihrer Teilnahme an der Zeremonie ehren Barack Obama, John Kerry, Bill und Hillary Clinton, François Hollande, Tony Blair, Prinz Charles von England, König Felipe VI. von Spanien und viele andere auch das Engagement für den Frieden, das Vorbild für die Zukunft sein sollte. Doch die größte Ehre, die man Schimon Peres erweisen könnte, wäre es, an sein Vermächtnis anzuknüpfen und weiter an der Beendigung dieses viel zu lange bestehenden Konflikts zu arbeiten.“
Peres war ein Besatzer und Unterdrücker
Der belgisch-libanesische Publizist Dyab Abou Jahjah kritisiert in seiner Kolumne in De Standaard das allgemeine Lob für den verstorbenen Schimon Peres:
„Er war der Architekt des illegalen und geheimen Kernwaffenarsenals Israels, er war einer der Architekten der illegalen Siedlungspolitik im Westjordanland, und er verteidigte bis zum Schluss die israelische Blockade und die mörderischen Bombardierungen von Gaza. Dass Peres gemeinsam mit Jassir Arafat und Jitzhak Rabin 1994 den Friedensnobelpreis bekam, ist die größte Farce in der Geschichte der Nobelpreise. ... Bevor wir von Friedensstiftern reden und mit der Versöhnung beginnen können, muss der Friede auch auf gerechte Art gestiftet werden, wie einst in Südafrika. Aber Peres war kein Frederik Willem de Klerk [Ex-Staatspräsident Südafrikas] und Arafat kein Nelson Mandela. Und während die Palästinenser aus der Underdog-Position manchmal gewalttätigen Widerstand leisten, war die Gewalt von Peres die eines Besatzers und eines mächtigen Unterdrückers. So hat er gelebt und so ist er gestorben.“
Eher Erwartungen genährt als erfüllt
Das international verbreitete positive Bild von Schimon Peres entspricht nur bedingt der Realität, konstatiert Le Temps:
„Leider war er öfter der Mann verpasster Gelegenheiten als einer der entscheidenden Erfolge. … 'Von Dimona [Ort eines atomaren Forschungszentrums] nach Oslo' lautet das beinahe geflügelte Wort, das Rückblicke auf diese Karriere gewöhnlich begleitet. Dimona steht für die Nuklearmacht, die Peres von den von ihm hofierten Franzosen erhalten hat. Oslo hingegen versinnbildlicht einen Traum, der für die Palästinenser trotz des Händeschüttelns im Weißen Haus und des Friedensnobelpreises zum Albtraum geworden ist. … Zwischen diesen zwei Polen hat Schimon Peres praktisch alle verfügbaren Machtpositionen einmal inne. Vor allem im Ausland weckte er große Erwartungen, zu deren Entstehung er mehr beigetragen hat als zu deren Erfüllung.“
Peres konnte Israelis nie vom Frieden überzeugen
An der Wahlurne gaben selbst Israelis, die an eine Aussöhnung mit den Palästinensern glaubten, stets einem Hardliner den Vorzug gegenüber Schimon Peres, analysiert Kolumnist Anshel Pfeffer in The Guardian:
„Die Art, wie Peres über seine Vision von einem 'neuen Nahen Osten' sprach, hatte stets etwas seltsames, befremdliches und realitätsfernes an sich. Laut Umfragen stimmte eine Mehrheit der Israelis im Prinzip mit seinen Ansichten überein. Doch an der Wahlurne votierten sie lieber für einen strengen Rechtsaußen. Sie waren nur dann bereit, der Arbeiterpartei zu vertrauen, wenn diese von einem beruhigend strengen ehemaligen General wie Jitzchak Rabin oder Ehud Barak geführt wurde. 'Regierungschef Schimon Peres' - das war keine Wortkombination, die genug Vertrauen und Sicherheit vermittelte.“
Palästinenserstaat bleibt unerfüllter Traum
Nur die Gründung eines Palästinenserstaats kann an der Situation in Nahost etwas ändern, glaubt Il Sole 24 Ore:
„Was hat Peres seinen Mitbürgern hinterlassen? Eine Chance, die zu den Akten gelegt wurde, wie die Beschlüsse des Oslo-Friedensprozesses. Bibi Netanjahu und die relative Mehrheit der Israelis, die ihn seit vier Legislaturperioden unentwegt wählen, sind davon überzeugt, dass Israel - solange sich die anderen nicht ändern - weiter in einer uneinnehmbaren Festung leben und sich der Modernität und des Wohlstands erfreuen kann, die sie Peres zu verdanken haben. ... 2018 feiert das Land sein 70-jähriges Bestehen. Israel hat weiterhin keine festen Grenzen und Jerusalem wird noch immer nicht als die Hauptstadt des Landes anerkannt. Nur die Geburt eines Palästinenserstaats kann dies bewerkstelligen. Schimon Peres wusste das. Doch sein Traum hat sich nicht erfüllt.“