May präsentiert Brexit-Zeitplan
Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat am Sonntag einen groben Plan für die EU-Austrittsverhandlungen dargelegt. Dabei deutete sie einen "harten" Brexit an, der das Land den Zugang zum europäischen Binnenmarkt kosten könnte. Das würde gerade diejenigen schwer treffen, die für den EU-Austritt gestimmt haben, bemerken Kommentatoren und fordern in Sachen Brexit mehr Klartext.
Brexit ist Bedrohung für sozial Schwache
Wenn Großbritannien nach dem Brexit kein Abkommen mit der EU aushandelt, fällt es auf die Mindestspielregeln der Welthandelsorganisation zurück – und darunter würden die Modernisierungsverlierer am meisten leiden, warnt die Irish Times:
„Sollte sich Großbritannien in Richtung Freihandel bewegen, würde das Land als WTO-Mitglied von billigeren Nahrungsmitteln außerhalb Europas profitieren. Preise für Rind- und Kalbsfleisch sind in der EU derzeit 30 Prozent höher als auf dem Weltmarkt. Außerdem käme das Land in den Genuss von billigeren Autos, Kleidungsstücken und anderen Gütern, die dem gemeinsamen Außenzolltarif der EU unterliegen. Doch die Ironie besteht darin, dass der EU-Austritt entgegen der Hoffnungen vieler Brexit-Befürworter Großbritannien noch stärker der Globalisierung aussetzen würde. Und in einer härteren Welt mit mehr Wettbewerb würden gerade jene Modernisierungsverlierer, die wohl am häufigsten für den Brexit gestimmt haben, am meisten leiden.“
Kostenloser EU-Austritt ist eine Illusion
Großbritannien wird auch nach dem Brexit nicht darum herumkommen, sich auf Regeln mit anderen Staaten einzulassen, die die nationale Souveränität einschränken, meint die Times:
„Jede vertragliche Verpflichtung, die ein Staat eingeht, bringt eine Verwässerung der nationalen Souveränität mit sich. Per Definition bedeutet das, bestimmte Dinge nicht zu tun, um dadurch einen gemeinsamen Gewinn zu erzielen. Die britischen Wähler haben im Brexit-Referendum geurteilt, dass die Kosten der EU-Mitgliedschaft - der Mitgliedsbeitrag, die Freizügigkeit und andere gesetzliche Auflagen - den Nutzen überwiegen. Das ist eine respektable Haltung, und die Regierung muss entsprechend handeln. Doch die Vorstellung, dass der Brexit rein gar nichts kosten wird und dass die Vorteile der EU-Mitgliedschaft erhalten bleiben könnten, ist falsch und als Haltung unverantwortlich.“
Den goldenen Mittelweg wird es nicht geben
In ihrer Rede verbat sich May Spekulation darüber, ob es einen harten oder einen weichen Brexit geben werde. Das wahre Problem ist, dass es die goldene Mitte für Großbritannien nicht gibt, analysiert Il Sole 24 Ore:
„Mehr als drei Monaten nach dem unerwarteten Nein des Volkes ist es schwer, einen Kompromiss zu finden, der das Gesicht der Londoner Regierung vor der Wählerschaft wahrt, der Wirtschaft nicht schadet und den EU-Partnern einen Schutz vor dem Austrittsvirus bietet. … Der Handlungsspielraum entpuppt sich als minimal. Die Optionen 'hard' oder 'soft' Brexit bleiben die einzigen Alternativen. Mit einer bedeutsamen Neuigkeit: Bis Samstag war der Zeitpunkt der Entscheidung ungewiss. Seit Sonntag 16 Uhr, seit Theresa May bestätigt hat, dass London bis März 2017 Artikel 50 des EU-Vertrags auslösen wird, beginnt der Countdown. So bleiben von heute an zwei Jahre und sechs Monate für eine Absprache. Doch London hat nach wie vor nicht die geringste Idee, wie und mit wem man verhandeln will, noch welche - realistischen - Ziele man dabei anstrebt.“