Castro hat sein Land nie verstanden
Mit Castros Tod ist Kuba der Freiheit ein großes Stück näher gekommen, freut sich die in Frankreich lebende kubanische Schriftstellerin Zoé Valdès in Le Monde:
„Die Welt will uns heute unbedingt dieses abgelaufene Produkt verkaufen, das Marketingprodukt, das Castro I. erfunden hat, und das sich rund um die Welt so gut verkauft: Er und seine Revolution. Die Käufer haben natürlich Castro mit Kuba verwechselt, und sie haben geglaubt, glauben immer noch, dass der Tyrann die 'fiesta' erfunden hat. Wenn sie von Kuba sprechen, meinen sie die Insel, die vom Glorienschein dieser komischen 'fiesta' umgeben ist, dieses ganzen lächerlichen Traras, das die Linken der ganzen Welt mit meinem Land verbinden. Nein, Kuba ist nicht Castro. Castro hat nie verstanden, was Kuba ist. ... Ich habe auf dem Balkon meine kubanische Flagge aufgehängt und während meine Tochter neben mir stand mit aller Kraft geschrien: 'Es lebe das freie Kuba!'“
Auf Kuba wartet eine gute Zukunft
Auf einen friedvollen Wandel in Kuba nach dem Tod Castros hofft der Ex-Guerrillero Joaquín Villalobos aus El Salvador in El País:
„Fidel Castros Tod stellt Kuba vor das Dilemma zwischen geordnetem Übergang oder Kollaps. ... Derzeit verweisen zwei Faktoren auf einen geordneten Übergang. Erstens: Bald wird die postrevolutionäre Generation die Macht auf der Insel übernehmen. ... Sie kennt Kubas desasöstres Wirtschaftsmodell, hat Chinas Wandel, den Mauerfall und Venezuelas Scheitern miterlebt - unmöglich, dass sie einfach so weitermacht wie bisher. Zweitens: Der radikale Wandel in der Klassenstruktur, den die halbe Million Betreiber kleiner Geschäfte (die 'Cuentapropistas') darstellen. Sie stellen Arbeiter an, nehmen Kredite auf und bieten den Kubanern in der dramatischen wirtschaftlichen Situation eine gewisse Verbesserung. Jeder soziale Wandel fordert politische Veränderungen. Der Markt ist nicht nur ein Wirtschaftsinstrument sondern auch eine politische Einrichtung, die Regeln fordert.“
Revolutionsführer nicht verherrlichen
Einseitig positive Huldigungen an den Verstorbenen wie etwa jene des irischen Präsidenten Michael D. Higgins missfallen The Irish Independent:
„Eine ganze Reihe von Ereignissen, die über die Jahre Stirnrunzeln hervorriefen, störten den irischen Präsidenten offenbar nicht. Um hier nur einige zu nennen: Nach der kubanischen Revolution gab es hunderte brutale Hinrichtungen. Geistliche, Homosexuelle sowie Dissidenten wurden verfolgt. Hunderttausende Flüchtlinge setzten sich nach Amerika ab. Außerdem gestattete Castro der Sowjetunion, die Kuba finanziell stützte, den Bau von Abschussrampen für Atomraketen, die die USA hätten erreichen können. Das führte 1962 zu einer Konfrontation zwischen Russland und den USA, die die Welt 13 schreckenerregende Tage lang fürchten ließ, dass es zum Atomkrieg kommen könnte.“
Mythos und Tragödie zugleich
"El Comandante" Fidel Castro hat sein Leben lang meisterhaft den romantischen Mythos um seine Person und seine Revolution ausgenutzt, bilanziert Pravda:
„Dieser Mythos funktionierte so lange perfekt, wie Kuba vorankam. Der Erfolg des dortigen Gesundheits- und Bildungssystems kann nicht geleugnet werden. Die dramatische Senkung der Kindersterblichkeit lässt sich statistisch nachweisen. ... Doch Castros Diktatur des Proletariats war immer eine Diktatur. Auf der 'Insel der Freiheit' waren weder eine politische Opposition zugelassen noch eine Freiheit der Kultur und der Meinung. Regimekritiker wurden 'präventiv' verhaftet und aus politischen Gründen eingekerkert. ... Die Politik des Embargos aber schadete nicht nur Millionen Kubanern. Sie war auch dumm, weil sie Castro in den Augen der Weltöffentlichkeit erlaubte, seine Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen.“
Genialer Propagandist
Castro hat es geschafft, einen Mythos um sich herum aufzubauen, der vom Elend des kubanischen Volks ablenken sollte, urteilt El Periódico de Catalunya:
„Der verstorbene kubanische Führer wird vor allem für seinen geschickten Umgang mit politischer Propaganda in die Geschichte eingehen. Alles was ihn umgab, diente dazu, seine Führungsposition zu stärken, die Werte der Revolution hochzuhalten und bei den Kubanern Emotionen zu wecken: Die Zigarre, der Bart, die olivgrüne Uniform und sogar der Jogginganzug als Rentner. ... All das hat ihm in Kuba mehr Unterstützung gebracht, als es von einer Gesellschaft zu erwarten wäre, die unter enormen Entbehrungen lebt, während nach außen hin das menschliche Bild des Marxismus verkauft wurde, das mit Rum und Rumba einhergeht. Angesichts der Arroganz von Uncle Sam hat sich der Bärtige vor den Augen der Welt weiterentwickelt. Er wurde zum Führer der Blockfreien Staaten und trotzte dem Niedergang des kommunistischen Blocks.“
Herausragende Sozialpolitik
Fidel Castro war mit seiner Politik höchst erfolgreich, konstatiert Cumhuriyet:
„Fidel war ein großer Revolutionär, der im 20. Jahrhundert für eine gerechtere Welt kämpfte. ... Er hat mit der kubanischen Revolution alles auf den Kopf gestellt. ... Heute ist Kuba ein Land ohne Luxus, aber mit vernünftigen Menschen. Ein Land, in dem es in einem weltweit einmaligen Ausmaß Wohnraum, Lebensmittel, kostenlose und qualitative Bildungs- und Gesundheitssysteme sowie politische Beteiligung gibt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 2,5 Prozent und das Parlament besteht fast zur Hälfte aus Frauen. Ein Kuba ohne Fidel bedeutet nicht, dass all seine Werte vor dem US-amerikanischen Kapitalismus kapitulieren. Ein Erbe, das bei den Kubanern und dem kollektiven Bewusstsein der Menschheit solch unauslöschliche Spuren hinterlassen hat, kann man nicht so leicht auslöschen.“
Neue Ära auf Kuba
Mit dem Tod Castros beginnt auf Kuba endgültig eine neue Zeitrechnung, meint Delo:
„Der Abgang von Fidel Castro, des Vaters der Revolution und Oberbefehlshabers, hallt in der Welt wieder, obwohl Fidel - eines der Symbole des kalten Kriegs - bereits vor knapp einem Jahrzehnt abtrat. ... Doch was passiert nun auf Kuba? Der Prozess der unausweichlichen Reformen, der bereits vor einem Vierteljahrhundert begann, schreitet in den vergangenen Jahren schnell voran. Wie andere Völker in Lateinamerika sind auch die Kubaner gespalten. Vieles hat sich verändert, nur die Partei steht noch immer an der Spitze - und neben ihr die Armee, die sich nicht so einfach wird davonjagen lassen. Bleiben die USA besonnen, wird es keinen Aufruhr geben. Gehen sie hart vor, ist dieser allerdings zu erwarten.“
Erste Bewährungsprobe für Trump
Den Tod Fidel Castros sieht Der Standard als erste Bewährungsprobe für den künftigen US-Präsidenten Donald Trump:
„Mit dem kubanischen Revolutionsführer ist der letzte Akteur aus dem Kalten Krieg verschieden. Und zwar akkurat in dem Augenblick, in dem sich viele in der neuen Weltunordnung beinahe an die bipolare 'Idylle' nuklearer Konfrontation zwischen Amerikanern und Sowjets zurücksehnen, um damit zumindest ein wenig Interpretationsrahmen für den inzwischen oft unergründlich scheinenden Weltenlauf zu haben. ... Die Regierung Obama hat die längst fällige Öffnung gegenüber Kuba vollzogen. Trotz der weiterhin bestehenden Diktatur unter Fidels Bruder Raúl Castro geht es den Kubanern nach einigen Jahren ökonomischer Öffnung besser, nicht zuletzt wegen der Geldüberweisungen von Landsleuten aus den USA. ... Castros Tod ist ein erster Test für den designierten US-Präsidenten Donald Trump. Es liegt an ihm, ob er die Diktatur auf Kuba durch Konfrontation stärkt oder das Land weiter öffnet.“