Wird das britische Parlament den Brexit stoppen?
Der Supreme Court, das oberste britische Gericht, hat entschieden, dass die Regierung den Brexit nicht ohne Befragung des Parlaments einleiten darf. Damit bestätigte es das Urteil des Londoner High Court vom November. Die Presse überlegt, ob der Brexit dadurch milder ausfallen könnte, als von Premierministerin May vorgesehen, oder ob die Abgeordneten ihn gar noch stoppen könnten.
Endlich könnte die Vernunft zurückkehren
Plötzlich besteht eine kleine Chance, dass der Brexit abgewendet wird, freut sich tagesschau.de:
„Die Abgeordneten haben es jetzt in der Hand, den Austritt aus der EU abzumildern. ... Es gibt jetzt immerhin die Chance, dass vielleicht ein bisschen Vernunft in die britische Politik zurückkehrt - bisher regiert die Unvernunft in London. Es gibt jetzt sogar eine - zugegebenermaßen kleine - Chance, dass der EU-Austritt des Landes am Ende komplett ausfällt. Nämlich dann, wenn es die Opposition mit Hilfe EU-freundlicher Konservativer schaffen sollte, das Recht des Parlaments in das neue Gesetz einzufügen, vor Abschluss der zweijährigen Verhandlungen noch einmal befragt zu werden. ... Wenn bis dahin den Briten klar werden sollte, auf welchen Irrweg sie sich begeben haben und auch die neue Freundschaft mit Donald Trump die Erwartungen der Brexit-Befürworter nicht erfüllt hat, dann könnte es eine andere Mehrheit geben, eine Mehrheit für den Verbleib in der EU.“
Neue Hürden für May
Dass der Urteilsspruch den Brexit stoppen wird, bezweifelt Lidové noviny hingegen, glaubt jedoch, dass die Sache für May nun komplizierter wird:
„Die Abgeordneten von Opposition wie aus dem Regierungslager könnten bestimmte Bedingungen setzen und ihren Ministern bei den Verhandlungen mit Brüssel die Hände binden. Nicht zuletzt könnte sich mehr Raum für die Vertreter von Wales und Schottland bilden. Die könnten mit vereinten Kräften versuchen, den Plan Theresa Mays eines harten Brexits auszubremsen, also auch das Ende der Mitgliedschaft im gemeinsamen Markt. ... Die Schlüsselfrage lautet, ob die Premierministerin einen wirklich realistischen Plan hat, den Brexit zu nutzen, um Großbritannien wieder zu einstiger Größe zu führen. Jetzt muss sie sich in jedem Fall mit den Abgeordneten einigen und dazu ihre Karten auf den Tisch legen.“
Entscheidung gibt es erst in zwei Jahren
Erst wenn die Regierungschefin die Austrittsverhandlungen mit der EU abgeschlossen hat und das britische Parlament über das Ergebnis entscheiden muss, kommt die wahre Bewährungsprobe für Mays Brexit-Plan, meint The Irish Times:
„May gewann neuen Schwung, als sie in ihrer Brexit-Rede ihre Leitsätze für die kommenden Verhandlungen darlegte. Doch die große Frage geht weit über Überlegungen zum parlamentarischen Ablauf hinaus und lautet: Hat sich May beim Verhandlungsfahrplan mit der EU zeitlich zu sehr unter Druck gesetzt? Viele fürchten, dass sie sich in Gespräche stürzt, die in dem von ihr vorgegeben Zeitrahmen nicht jenen ambitionierten neuen Handelsvertrag bringen können, den sie sich wünscht. Sollte sie scheitern, müssen Abgeordnete des Unter- und des Oberhauses entscheiden, wie es weitergeht. Erst zu diesem Zeitpunkt, Ende des Jahres 2018, könnte der wahre Tag der Entscheidung im Parlament bevorstehen.“
Vor hartem Brexit erneut das Volk befragen
Wenn nach den Austrittsverhandlungen der britischen Regierung mit der EU alle Fakten zum Brexit und die möglichen Folgen auf dem Tisch liegen, sollte es erneut ein Referendum geben, fordert The Independent:
„Einige, die beim Referendum im vergangenen Juni für oder gegen den EU-Austritt gestimmt hatten, haben ihre Meinung mittlerweile geändert. Sie alle sollten die Chance erhalten, eine fundierte Entscheidung zu treffen, sobald alle Fakten rund um den tatsächlichen Brexit offen auf den Tisch gelegt worden sind. Völlige Transparenz kann es dabei niemals geben, weil wir die Zukunft nicht voraussehen können. Doch im Jahr 2019 sollte eine rationale Entscheidung wenigstens bis zu einem gewissen Grad möglich sein. Dass es einen super-harten Brexit ohne ausdrückliche Zustimmung des Volkes geben könnte, ist schlicht undenkbar. Denn dafür hat die Mehrheit im vergangenen Juni nicht gestimmt.“