Renzi bekommt mehr Konkurrenz von links
In Italien hat sich am Wochenende der linke Flügel der sozialdemokratischen PD des Ex-Premiers Matteo Renzi abgespalten. Die neue Partei Movimento dei Democratici e Progessisti dürfte in beiden Parlamentskammern auf rund 50 Abgeordnete kommen. Was bedeutet die Spaltung der PD?
Geschenk an Grillo und die Lega Nord
Der Streit in der PD ist eine tickende Zeitbombe, deren Explosion Auswirkungen auf ganz Europa haben könnte, warnt Der Standard:
„Die Spaltung der größten italienischen Regierungspartei Partito Democratico (PD) macht sprachlos: Noch nie war eine derartige Selbstzerfleischung unnötiger, noch selten der Zeitpunkt ungünstiger. ... Die lachenden Dritten werden die Populisten sein - die zwischen extrem links und weit rechts irrlichternde Protestbewegung Movimento 5 Stelle von Beppe Grillo sowie die Lega Nord des fremdenfeindlichen Scharfmachers Matteo Salvini. Weder die 'Grillini' noch die Lega Nord werden zwar bei Neuwahlen eine regierungsfähige Mehrheit erringen. Doch in einer Koalition scheint eine Mehrheit durchaus möglich. Die Spaltung des PD, sagte Mitbegründer Walter Veltroni, gefährde deshalb nicht nur die italienische Demokratie, sondern die ganze EU.“
Ex-Kommunisten und Erneuerer fanden nie zusammen
Die Spaltung des Partito Democratico war seit seiner Gründung 2007 absehbar, meint Corriere della Sera:
„In all diesen Jahren haben die politischen Kulturen, die zur Gründung des PD führten, nie wirklich zueinander gefunden. … Der Generationswechsel hat diese kulturelle Kluft noch vertieft. Matteo Renzi fordert die Erneuerung der politischen Kultur der Partei und bringt traditionelle Aspekte der katholischen Linken (etwa in der Flüchtlingspolitik) mit Aspekten zusammen, die der Partei bis dato vollkommen fremd waren (von der technologischen Erneuerung bis zur Dynamisierung des privaten Sektors). ... Für die alte Garde ist das ein Kulturschock. ... In der Geburtsstunde des PD bildeten die Ex-Kommunisten die Mehrheit. Doch nun müssen sie sich damit abfinden, dass sie sich als Minderheit abspalten mussten und darauf hoffen, dass die Wähler das Kräfteverhältnis wieder ein wenig zu ihren Gunsten verschieben.“
Unverantwortliches politisches Theater
Weder Renzi noch seine Gegner scheinen sich Sorgen um die Folgen ihres parteiinternen Streits zu machen, wettert La Stampa:
„Fest steht, dass die Spaltung, für die sich die beiden Lager des PD bis zur letzten Minute gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, sofort verheerende Folgen für die Regierung, für das Parlament und für das Land haben wird. Deshalb hätte man von Renzi und von seinen Gegnern größere Vorsicht und Weitsicht erwartet, statt das Psychodrama, das gestern über die Bühne ging. Eine Partei, die das Staatsoberhaupt stellt, den Regierungschef, den Großteil des Ministerrats, die Präsidenten in fünfzehn von 20 Regionen, die Bürgermeister der großen Städte, die Vorsitzenden der größten staatlichen Unternehmen, eine Partei, die heute die Rolle eines Stützpfeilers des noch dazu wackeligen politischen Systems innehat, eine solche Partei hätte, bevor sie auf eine Spaltung zusteuert und eine Phase der Instabilität eröffnet, zumindest über die Folgen nachdenken müssen.“
Linke Minderheit wartet auf bessere Zeiten
Der linke Minderheitsflügel hatte Renzis totalen Verzicht auf den Parteivorsitz gefordert und mit der Spaltung gedroht, erklärt Corriere della Sera, doch war das wohl eher ein Bluff:
„Gestern ist bei den Sozialdemokraten weniger eine Spaltung über die Bühne gegangen als eine Abkapselung von einer Gruppe gleichwohl gewichtiger Persönlichkeiten. Einige Vertreter der internen Opposition, die Matteo Renzi vom ersten Tag an, als er 2013 den Vorsitz übernahm, bekämpften, ziehen es jetzt jedoch vor, in der Partei zu bleiben und erwägen die Möglichkeit, einen eigenen Kandidaten bei der Urwahl aufzustellen. Dabei hoffen sie weniger auf einen eher unwahrscheinlichen Sieg. ... Sie halten es für vorteilhafter, sich innerhalb der Partei zu verschanzen, um eine harte Nuss für den Parteisekretär zu sein, und auf bessere Zeiten zu warten. In der Zwischenzeit geben sie sich mit den Plätzen zufrieden, die gemeinhin der Minderheit zustehen.“