Ist Orbán nach Absage an Olympia geschwächt?
Budapest bewirbt sich doch nicht für Olympia 2024. Nachdem die Bewegung Momentum 266.000 Stimmen für ein Referendum gegen die Austragung der Spiele gesammelt hatte, forderte Premier Viktor Orbán die Stadt am Mittwoch auf, die Bewerbung zurückzuziehen. Während einige Kommentatoren resigniert fragen, wo Olympias glorreiche Zeiten geblieben sind, träumen andere schon vom Sturz der Orbán-Regierung.
Ungarn können sich ihr Land zurückerobern
Dass Orbán und seine Regierung angesichts einer drohenden Niederlage bei einem Referendum die Flucht ergriffen haben, lässt die regierungskritische Wochenzeitung hvg frohlocken:
„Ungarns Regierung traut sich nicht, dem Volk in die Augen zu schauen. Die Schande sitzt ihr im Nacken. Deshalb meidet sie Mikrofone und Kameras wie der Teufel das Weihwasser. ... Es ist großartig zu sehen, wie Viktor Orbán angesichts einer drohenden Ohrfeige ganz klein wird. ... Das Volk kann der Regierung Paroli bieten. Viktor Orbán wird davonlaufen, wenn es ausdauernden Widerstand gibt. Wir können unser Land zurückerobern, Straße für Straße, Gesetz für Gesetz. Wenn sich die unzähligen enttäuschten Menschen vereinigen, ist alles möglich. Da der Ministerpräsident derart feige ist, ist dazu nicht einmal eine Mehrheit notwendig. Eine sichtbare Widerstandsbewegung reicht dafür, und die Wahrheit.“
Orbán hat kalte Füße bekommen
Angesichts des Aufwandes, den die Regierungspartei Fidesz mit Premier Viktor Orbán für die Ausrichtung Olympischer Spiele 2024 in Budapest betrieb, kommt die Absage einer Sensation gleich, kommentiert Sme:
„Immerhin stand das Projekt ganz oben auf der Regierungsagenda. Es sollte belegen, wie die Fidesz das Land zum Aufblühen und zu Wohlstand gebracht hat. Die ganze Maschinerie ist letztlich über eine unbekannte Bürgerbewegung entgleist. Sie sammelte binnen weniger Wochen mehr als 200.000 Unterschriften unter ein Begehren für ein Referendum; 138.000 hätten gereicht. Das Umlenken kommt dennoch überraschend. Politologen, die nicht der Fidesz angehören, erklären es damit, dass Orbán vor allem im liberalen Budapest, wo die Fidesz deutlich weniger als auf dem Land unterstützt wird, ein Jahr vor den Wahlen in einem Referendum keine Niederlage riskieren wollte. ... Freilich wären die Chancen auf Olympia gegen Paris und Los Angeles eh nur mikroskopisch klein gewesen. “
Nur demokratische Spiele können Olympia retten
Wer will eigentlich überhaupt noch Olympia haben?, fragt sich der Tagesspiegel:
„Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da galt schon die Kandidatur für Olympia als sinnvolles Stadtmarketing. Die Spiele waren so begehrt, dass dafür bestochen wurde. … Seitdem ist der Eindruck entstanden, dass es bei den Spielen immer denselben Gewinner gibt: das IOC. Und immer dieselben Verlierer: die steuerzahlende Bevölkerung. … Wirklich retten können diese Idee nur andere Spiele. Nicht nur Spiele in einer Demokratie, sondern demokratische Spiele unter Beteiligung der Bevölkerung. Olympische Spiele, die sich zuerst nach der Stadt richten und erst dann nach dem IOC. Die bei ihrer Weiterentwicklung helfen, so wie München 1972 oder Barcelona 1992, die keine verfallenden Sportstätten hinterlassen, sondern einen neuen Impuls zum allgemeinen Sporttreiben. Spiele, von denen die Stadtbevölkerung in der Breite profitiert und von denen die Bürger auch Jahre später noch sagen: Seht her, wir haben gewonnen.“