Widerstand gegen Olympia in Budapest wächst
Die von der Orbán-Regierung angestrebte Olympiabewerbung Budapests steht auf der Kippe. Die Bewegung Momentum, die bei den Parlamentswahlen 2018 gegen den Fidesz antreten will, hat mehr als 266.000 Unterschriften von Olympiagegnern gesammelt und könnte nun ein Referendum einfordern. Angesichts dessen ruderte Premier Viktor Orbán zuletzt zurück und will nun diese Woche eine Entscheidung über eine Bewerbung treffen. Gibt er die Pläne letztlich auf?
Wachstum ankurbeln, Selbstvertrauen gewinnen
Die Olympischen Spiele würden Ungarn so voran bringen, wie seinerzeit der New Deal die USA, erklärt die regierungstreue Tageszeitung Magyar Hírlap:
„Die Investitionen in Olympia würden den ungarischen Wirtschaftsmotor enorm ankurbeln. Blicken wir auf die Wirtschaftsgeschichte zurück, sehen wir, dass es den USA in den 1930er Jahren gelang, mit großangelegten Infrastruktur-Investitionen die damalige schwere Krise zu überwinden und auf einen steilen Wachstumspfad zu finden. … Wir können uns nur wiederholen: Olympia ist kein Geschäft, sondern vielmehr eine Unternehmung, welche die Kräfte, Fähigkeiten und Talente einer Nation zum Ausdruck bringt. Das Selbstvertrauen, das aus einer erfolgreichen Austragung gewonnen werden könnte, würde Ungarn fit machen für die zahlreichen schwierigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.“
Letztlich wird Orbán Rückzieher machen
Viktor Orbán ist klug genug, dass er die Olympischen Spiele gewiss nicht um jeden Preis durchsetzen wird, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Die schwache Opposition hat es nämlich geschafft, die Kandidatur mit breiteren Missständen zu verbinden. So findet sich die Regierung plötzlich in Argumentationsnot gegenüber Hunderttausenden, die wissen wollen, weshalb Ungarn Milliarden für ein Prestigeprojekt ausgeben soll, während die Bildung und das Gesundheitswesen darben. Die Proteste über deren Vernachlässigung trieben vor einigen Monaten bereits Tausende auf die Strasse. Ebenfalls mit Olympia verbunden ist die Frage der Korruption: Die Ungarn wissen, wie verbreitet Bereicherung in Orbáns Umfeld ist. ... Deshalb wird Orbán wohl kaum mit dem Zweihänder 'seine' Olympiade zu retten versuchen und damit das Risiko eingehen, dass das Referendum zu einem Plebiszit über seine Herrschaft gerät.“
Ungarn ist mitnichten bereit
Das Land ist viel zu korrupt, verwahrlost und arm, um Olympische Spiele austragen zu können, erklärt Publizist Norbert Fekete in der Wochenzeitung hvg:
„Ich höre schon die Spots, in denen Sportler zur Unterstützung von Olympia aufrufen. Sie betonen, wie großartig es wäre, im eigenen Land aufs Podest zu steigen. ... Eine Handvoll von Menschen, die noch dazu zur Elite zählt, verlangt vom Volk eines der rückständigsten Länder der EU, dass ihr Traum wahr wird, der mindestens sieben Milliarden Euro kostet. Das Interesse einiger Sportler soll das Interesse der Nation verkörpern. Und die Regierung versucht mit aller Macht zu verhindern, dass die Bürger ein Wort mitreden. ... Ich weiß nicht, ob die privilegierten Sportler wissen, wie heruntergekommen dieses Land ist. Die Korruption nimmt zu, Bildungs- und Gesundheitswesen liegen im Argen, die Freiheitsrechte werden eingeschränkt und die öffentliche Stimmung ist miserabel. Wer kann, der flieht.“
Wider den Kleinmut und die Spießbürgerlichkeit!
Trotz der Unterschriftensammelaktion sollte Ungarn den Traum von Olympia nicht aus den Augen verlieren, meint hingegen Sportjournalist András Ch. Gáll in der regierungstreuen Zeitung Magyar Idők:
„Die Bürgerorganisation MoMo appelliert an die niedrigsten menschlichen Instinkte, einerseits an den in Ungarn so tief verankerten Kleinmut, andererseits an die Spießbürgerlichkeit. ... Ich hatte das große Glück, über fünf Sommerspiele zu berichten. ... Obwohl die Kritiker Olympischer Spiele immer wieder mit Vorliebe argumentieren, dass ihre Austragung bisher alle Städte finanziell in die Bredouille gebracht hat, ist das keineswegs der Fall. Im Gegenteil! Die Sommerspiele in Seoul 1988 etwa waren vielmehr der Beginn des bis heute anhaltenden koreanischen Wirtschaftswunders und Booms. ... Ich jedenfalls bin weder als Sportjournalist noch als leidenschaftlicher Patriot bereit, den Traum von ungarischen Sommerspielen freiwillig aufzugeben.“