Wohin führt neuer Präsident Vučić Serbien?
Mit 55 Prozent der Stimmen hat der bisherige serbische Premier Aleksandar Vučić am Sonntag die Präsidentschaftswahl gewonnen. In seiner Rede kündigte er an, die Annäherung an die EU weiter fortzuführen und gleichzeitig gute Beziehungen zu Russland und China zu halten. Während sich einige Kommentatoren mit dieser paradoxen Rolle Serbiens beschäftigen, sorgen sich andere um die Demokratie im Land.
Mehr Macht als Slobodan Milošević
Die Wahl Vučićs zum Präsidenten wird die Demokratie in Serbien weiter beschädigen, fürchtet Der Standard:
„Wenn jemand bisher daran gezweifelt hat, wurde er nun eines Besseren belehrt: Aleksandar Vučić ist der unantastbare Boss in Serbien. Direkt vom Volk gewählt, nimmt seine Autorität nun neue Ausmaße an. Er wird Chef der dominanten [rechtskonservativen Partei] SNS bleiben, dadurch nach wie vor alle Strippen ziehen, einen folgsamen Mitläufer zum Premier ernennen und so durch die Hintertür ein autoritäres Präsidialsystem einführen, in dem nur noch ein Mann alle Entscheidungen fällt. Für die Entwicklung der ohnehin fragilen serbischen Demokratie wird das verheerend sein. Nicht einmal Slobodan Milošević hatte so viel Macht wie Vučić. Der große Unterschied: Vučić genießt die Unterstützung des Westens.“
EU braucht Garant für Stabilität auf dem Balkan
Wie die Beziehungen zwischen Serbien und der EU gestrickt sind, erläutert Hospodářské noviny:
„Die Mehrheit der Wähler will ein europäisches Serbien, das gleichzeitig mit Russland und China zusammenarbeitet. Genau das hatte der bisherige Premier Aleksandar Vučić den Bürgern versprochen und ist zum Präsidenten gewählt worden. Sein Versprechen ist nicht paradox. Serbien hängt nicht nur an der EU, deren Mitglied es werden soll. ... Die Serben wissen ebenso gut, dass sich die EU nicht so ohne weiteres erweitert. Deshalb ist russisches und chinesisches Geld für Investitionen willkommen. ... Für Europa ist Vučić ein Stabilitätsgarant. Zwar musste er sich wie sein bulgarischer Kollege Borissow viel Kritik anhören. Aber sie können eine wichtige Rolle spielen, um den Einfluss Russlands und der Türkei (und damit das Flüchtlingsproblem) zu begrenzen. Deshalb sind sie 'unsere Leute' auf dem Balkan.“
Vučić muss Farbe bekennen
Vučić muss irgendwann klar sagen, ob sich Serbien Richtung Russland oder EU orientieren will, bemerkt Jutarnji list:
„Nach der rauschenden Wahlnacht wird es für den alten und neuen Machthaber ernst. Er muss sich endlich zwischen Brüssel und Moskau als strategischen Partner Serbiens entscheiden. Die einen wie die anderen haben vor der Wahl auf ihn als 'stabilisierenden Faktor' gesetzt. Im Augenblick ist beiden Seiten an einer Entscheidung nicht gelegen, mit den heftigen Auswirkungen will man sich nicht auseinandersetzen müssen. Doch während seines Mandats werden beide Seiten den Druck auf Vučić erhöhen. Ob Vučić diese Entscheidung politisch überleben würde ist fraglich, denn auch wenn er wie [Ungarns Premier] Orbán allgegenwärtig und allmächtig scheint, ist seine Popularität nicht gestiegen. Die Wahlbeteiligung von nur 55 Prozent zeigt, dass gut die Hälfte der Serben die Wahl boykottiert hat.“
Abscheuliche Medien verhalfen zum Sieg
Serbiens Medien haben für Delo einen großen Anteil am klaren Sieg von Aleksandar Vučić:
„Vučićs Sieg ist ein Warnzeichen dafür, was passiert, wenn man die Medien völlig dem Markt überlässt. ... Man bekommt abscheuliche Medien, die massenhaft Mist auf alles schütten, was demjenigen, der die Macht hat, nicht gefällt. Hat jemand die ernsthaften, verantwortungsbewussten, hochwertigen 'Mainstream'-Medien erwähnt? Nein, weil es sie nicht mehr gibt. Und was kann Serbien aus diesem Sieg lernen? ... Dass es wohl schlau wäre, wählen zu gehen, wenn Dir Dein Regierungschef jeden Tag Märchen über den wirtschaftlichen Fortschritt verkauft, von dem nur seine Kumpel etwas haben, Du aber gleichzeitig jeden Monat schlechter lebst.“