Anschlag in Petersburger Metro
Die Bombenexplosion in der Metro von St. Petersburg, bei der mindestens elf Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden, hat international Bestürzung ausgelöst. Kommentatoren blicken insbesondere auf Russlands innenpolitische Situation und stellen sich die Frage, ob Putin durch den Anschlag gestärkt oder geschwächt wird.
Grundpfeiler von Putins Macht wanken
Wenn Putin keine Sicherheit mehr in Russland garantieren kann, wird es für ihn gefährlich, meint Autor Vasile Ernu auf seinem Blog bei Adevărul:
„Putin fürchtet sich nicht vor terroristischen Anschlägen, sondern vor den politischen Folgen solcher Angriffe. Die können verheerend sein. Warum? Seit 2015 schwindet für das Putin-Regime einer der Grundpfeiler der Macht: Ein wohlhabendes Russland. Die Ölpreise sind abgestürzt, es gibt ein Wirtschaftsembargo des Westens und selbst der Kreml spürt, wie es ist, mit weniger Geld auskommen zu müssen. Die Bevölkerung verlangt weiter Wohlstand. ... Doch jetzt droht, auch der zweite wichtige Pfeiler einzustürzen: das sichere und stabile Russland. Wenn es in der zweitgrößten russischen Stadt, in der sich auch zufällig gerade Putin aufhält, zu einer Explosion kommt, dann ist das eine starke Botschaft. Das Abenteuer in Syrien kehrt wie eine Bumerang zurück und steht dafür, dass Putin nicht einmal mehr Sicherheit garantieren kann.“
Motive der Terroristen sind nicht mehr rational
Russland ist zum Ziel des internationalen Terrorismus geworden, den es allein nicht besiegen kann, glaubt Pravda:
„Die Anschläge in Russland in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends, bei denen Unschuldige starben, waren furchtbar und verwerflich. Aber die hatten ein traditionelles Motiv: Russland sollte raus aus Tschetschenien. Seither ist alles anders. Angriffe wie die von St. Petersburg sind nur noch furchtbar und verwerflich. Die einstigen Kämpfer für nationale Unabhängigkeit sind von internationalen religiösen Fanatikern abgelöst worden. Deren Motive sind rational nicht mehr erklärbar. Diese Leute wollen nur Angst und Hass verbreiten. Wichtig ist es, die Kontakte der Angreifer aufzudecken. Die meisten Angreifer in Europa handelten nicht einsam. Einige radikalisierten sich in Syrien. Niemand weiß, wie viele Russen von dort wieder nach Russland zurückgekehrt sind. Ein Grund mehr, sich daran zu erinnern, dass globaler Terror nur durch globale Zusammenarbeit besiegt werden kann.“
Russland ohnehin schon verunsichert
Die Rückkehr des Terrors nach Russland kommt zu einem für Moskau schwierigen Zeitpunkt, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Für die russische Führung ist die Aufklärung des Anschlags von Sankt Petersburg eine besondere Herausforderung, denn der Terror ereignete sich in einer Zeit, in der das politische Moskau ohnehin verunsicherter ist als noch vor einigen Monaten. Landesweite Demonstrationen gegen Korruption sind in den vergangenen Wochen zu einem Testfall für den Staat geworden, und dies knapp ein Jahr vor der Präsidentenwahl. Für eine Führung, die weitgehende Kontrolle in allen Belangen für sich beansprucht, kommt nun einiges zusammen. Der Anschlag von Sankt Petersburg könnte wenigstens für ein besseres Verhältnis zum Westen sorgen. Wenn beide Seiten Opfer sind, würde dies zumindest die Solidarität im Kampf gegen den Terror stärken.“
Putin wird zu noch mehr Repressionen greifen
Dass Wladimir Putin von dem Anschlag in St. Petersburg innenpolitisch profitieren könnte, glaubt hingegen Ilkka:
„Man braucht nicht groß über die unmittelbaren Konsequenzen des gestrigen Bombenanschlags in der St. Petersburger U-Bahn spekulieren. … Die Explosion dürfte zu einer Einschränkung der Bürgerrechte und einer stärkeren Präsenz von Polizei und Militär an öffentlichen Plätzen und im Alltag der Russen führen. Stabilität und Sicherheit Russlands sind erschüttert. Von den Sicherheitskräften wird erwartet, dass sie die Stabilität wiederherstellen. … In all seiner Tragik kommt der Anschlag von St. Petersburg für Putin wie bestellt. Ein gemeinsamer Feind, der Terrorismus, verbindet die Russen und rückt die anderen innenpolitischen Probleme sowie die wachsende Kritik der Opposition am Präsidenten in den Hintergrund.“
Autoritäre Regime bieten auch keine Sicherheit
Lidové noviny warnt davor, Russland nun das Mitgefühl zu verweigern:
„Russische Opfer sind im Vergleich zu denen im Westen oder im Nahen Osten nicht zweitklassig. Man sollte sich daran erinnern, dass am 11. September 2001 Putin der erste ausländische Staatsmann war, der Washington kondolierte. ... Russland war in den letzten Jahren von Bedrohungen dieser Art nicht betroffen. Um sich an ein ähnliches Ereignis in einer Großstadt zu erinnern, muss man bis März 2010 zurückgehen, zu einem Anschlag in der Moskauer Metro. Obwohl man nach gestern noch keine endgültigen Schlüsse ziehen kann, ist es die erste Explosion im Herzen Russlands, seit sich Putin vom Westen abwandte. Diese Ära sollte unter anderem beweisen, dass ein autoritäres Regime größere Sicherheit garantieren kann als der liberale Westen. Das gilt offenkundig nicht. Dies ist kein Siegesgeschrei, sondern einfach eine Feststellung.“
Die Rache der Dschihadisten
Dass sich mit dem Anschlag die IS-Miliz an Putin rächt, vermutet Diplomat Roberto Toscano in La Repubblica:
„Putin hat von der Krim bis nach Syrien gezeigt, dass Russland zählt, dass Russland nicht ausgeschlossen werden kann sondern - im Gegenteil - weiterhin eine Großmacht ist. Sein kühler, entschlossener Revanchismus hat bis dato Erfolg gehabt. ... Doch wie die Amerikaner nur allzu gut wissen, zahlt man für den Ehrgeiz, eine Supermacht sein zu wollen, einen hohen Preis. Es geht nicht nur darum, inwiefern die Ambitionen wirtschaftlich tragfähig sind, sondern auch um die Tatsache, dass man sich exponiert. Man wird zur Zielscheibe derjenigen, die die führende Rolle bekämpfen oder den Verantwortlichen, vor allem kurz vor der eigenen Niederlage, mit einem Racheakt strafen wollen. Heute ist es Putin, der als Hauptfeind des Dschihadismus angesehen wird. Weit mehr als Trump, der noch unsicherer und widersprüchlicher ist, als es Obama war.“