Muss Schweden seine Offenheit überdenken?
Tausende haben am Sonntag in Stockholm ihre Solidarität mit den Opfern des Lkw-Angriffs von Freitag gezeigt. Mit Durchsuchungen und Grenzkontrollen will die Polizei mögliche Komplizen des Tatverdächtigen finden - eines Usbeken, der sich seiner Abschiebung entzogen hatte. Schweden braucht schärfere Sicherheitsmaßnahmen, fordern einige Medien. Für andere zeigt die Attacke bereits den Erfolg von Polizei und Geheimdiensten.
Gewaltakte im großen Stil kaum noch möglich
Dass Terroristen auf Lkws als Waffen zurückgreifen müssen, zeigt, dass die Sicherheitsdienste im Großen und Ganzen gute Arbeit leisten, lobt The Independent:
„Wir sollten gegen die Mächte der Angst ankämpfen, indem wir uns mit Fakten trösten. ... Diejenigen, die uns Leid zufügen wollen, sind darauf angewiesen, auf Techniken zurückzugreifen, die in äußerstem Maße opportunistisch und technologisch primitiv sind. Der Angreifer von Stockholm entführte einen Lkw, der einer schwedischen Brauerei gehörte, während dessen Fahrer eine Lieferung machte. Weder dieser Angreifer noch der von Westminster in London waren imstande, an eine Schusswaffe zu gelangen. Das alleine sollte uns daran erinnern, dass Ordnungskräfte und Sicherheitsdienste die meiste Zeit über wirklich gute Arbeit leisten. Die Hindernisse, die wir gegen Gewaltakte im großen Stil errichtet haben, funktionieren.“
Harte Prüfung für die Multikulti-Gesellschaft
Die Lkw-Amokfahrt könnte einen Wandel in der schwedischen Mentalität einläuten, meint Wirtualna Polska:
„Dieser Angriff in Stockholm ist insbesondere deswegen interessant, weil er die sehr offene Art und Weise der Schweden, Immigranten zu integrieren und das Konzept der Multikulti-Gesellschaft auf die Probe stellt. Die Schweden beginnen nur langsam, aber doch sehr gezielt damit, die Hintergründe zu untersuchen. Sie bilden eine Expertenkommission, die einen Abschlussbericht vorlegen muss. Und erst dann überlegt man sich, wie man die Probleme dauerhaft lösen kann. ... Jetzt nähert sich in Schweden die Parlamentswahl [2018] und die Überzeugung wird immer größer, dass sich das Land den bedrohlichen Realitäten anpassen muss, die zu Anfang des 21. Jahrhunderts vorherrschen. Es ist möglich, dass die Attacke in Stockholm diese Entwicklung beschleunigt. Nun könnten die Vorschriften verschärft und den Behörden neue Instrumente zur Strafverfolgung gegeben werden.“
Mit Gelassenheit dem Terror trotzen
Offenheit und gleichzeitige Verteidigung, diese Mischung empfiehlt Helsingin Sanomat den Schweden als Reaktion auf den Lkw-Angriff:
„Es mag zahnlos wirken, wie die offene Gesellschaft auf Terroranschläge reagiert. Aber es ist schwierig, einen Einzelgänger oder eine kleine Gruppe im Vorfeld zu identifizieren. Im Kampf gegen den Terrorismus ist es entscheidend zu zeigen, dass die Anschläge nicht die Grundfesten der Gesellschaft erschüttern. ... Je einmütiger wir den Zielen trotzen, die mit den Anschlägen verfolgt werden, desto schlechter entwickelt sich der Nährboden für radikales Gedankengut. Dennoch werden auch Mittel benötigt, um die Verantwortlichen der Anschläge zu fassen. Die offene Gesellschaft darf sich verteidigen.“
Schweden muss sich besser schützen
Beschwichtigende Worte sind fehl am Platz, findet Göteborgs-Posten, denn jetzt gilt es, die Sicherheitslage grundlegend zu überdenken:
„Zunächst kann man sich fragen, warum es so einfach war, in den Boulevard zu fahren, der landesweit am stärksten frequentiert ist und der [2010] schon einmal einem Terrorattentat ausgesetzt war. ... Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation ist in Schweden nicht strafbar. ... Dass Innenminister Anders Ygeman nun strengere Gesetze ankündigt, ist begrüßenswert. Gleichzeitig ist es bedauerlich, dass das erst jetzt geschieht. ... Außerdem gilt es zu untersuchen, ob öffentliche Plätze stärker überwacht werden müssen. ... Wir brauchen kraftvolle Maßnahmen gegen gewaltbereiten Extremismus. Es geht nicht darum, sich der Angst zu ergeben oder die Terroristen siegen zu lassen. Es geht darum sicherzustellen, dass wir nicht nur ständig das Mantra vom 'normalen Weiterleben' wiederholen, sondern unser Leben tatsächlich normal weiterführen können.“