Tschechiens Premier Sobotka löst Regierung auf
Ein halbes Jahr vor der regulären Parlamentswahl hat Tschechiens Premier Bohuslav Sobotka am Dienstag überraschend den Rücktritt seiner Mitte-Links-Regierung angekündigt. Als Grund nannte er die Ermittlungen gegen Vizepremier Andrej Babiš wegen Steuerhinterziehung. Kann Sobotka mit diesem Schachzug seine Chancen in der kommenden Wahl verbessern?
Sobotka schielt auf die Umfragewerte
Premier Sobotka stand vor zwei schlechten Alternativen, erklärt Sme:
„Mit der Abberufung von Babiš als Finanzminister hätte er ihn zum Märtyrer gemacht. Ihn in der Regierung zu behalten, hätte sein Image als schwacher Regierungschef bestätigt. In beiden Fällen hätte Babiš eine glänzende Position vor der Wahl gehabt. ... Sobotka und die Sozialdemokraten wussten vom ersten Tag ihrer Regierungszeit im Januar 2014 an, mit wem sie in Person von Babiš die Ehre haben. Und das störte auch nicht, solange die Wahl noch weit weg war und der Regierung alles gelang. Tschechien hat EU-weit die niedrigste Arbeitslosenrate, hat die Verschuldung gesenkt und die Löhne steigen. Ein halbes Jahr vor der regulären Wahl, da die Sozialdemokraten hoffnungslos in den Umfragen abgesackt sind, setzen sie nun alles auf eine Karte: auf eine scharfe Kampagne gegen den bisherigen Koalitionspartner.“
Establishment gegen Antipolitiker
Premier Bohuslav Sobotka treibt den jahrelangen Konflikt mit dem Finanzminister und ANO-Chef Andrej Babiš auf die Spitze, beobachtet Der Standard:
„Auf der einen Seite steht Sobotka, der Pragmatiker, der sich in der Nähe des sozialdemokratischen Mainstreams am wohlsten fühlt. Herausgefordert wird er vom Milliardär Babiš, der immer noch von 'den Politikern' spricht - ganz so, als ob er selbst keiner wäre. Was in Prag über die Bühne geht, ist also auch eine weitere Runde im Match 'Establishment' gegen Antipolitiker, das derzeit in so vielen Staaten geführt wird. ... Ob Sobotkas Schritt nun taktisch schlau war, bleibt offen. Mehr Klarheit über sein Verhältnis zu Babiš wird der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung aber sicher nicht schaden.“
Wird Präsident Zeman der lachende Dritte?
Premier Sobotka hat schlechte Karten im Machtkampf mit Babiš, ist sich auch Hospodářské noviny sicher:
„Alles hängt jetzt davon ab, wie sich Präsident Miloš Zeman verhält. Schon nach den ersten Reaktionen von der Prager Burg ist klar, dass Zeman mit Freude alles machen wird, was Sobotka schadet. ... Zeman kann politische Krisen lösen, mitunter auch seltsam kreativ. Das bewies er 2013, als er gegen den Willen des Parlaments eine ihm genehme Regierung einsetzte. Auch jetzt wird er sich zweifellos als entscheidender politischer Akteur präsentieren, als wirklicher Staatsmann. Wenn er mit Bedacht agiert, wird die Öffentlichkeit das honorieren. Seine beiden wichtigsten Gegenkandidaten für die Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr werden es dann noch schwerer haben. Für Sobotka würde sich damit das schlimmste Szenario erfüllen: er selbst müsste das Regierungsamt verlassen, Zeman aber, den er nun wirklich nicht mag, könnte als Präsident auf der Burg bleiben.“