Wie weiter mit dem Diesel?
Nicht erst die Dieselskandale und drohende Fahrverbote in mehreren Städten lassen europaweit den Druck anwachsen, einen Plan gegen Luftverschmutzung und für saubere Mobilität zu finden. Wie das gelingen kann, loten Europas Kommentatoren aus.
Nicht die Zukunft verschlafen
Europa muss den Umstieg auf E-Mobilität endlich ernstnehmen, mahnt Pravda:
„Auf die Frage, warum wir auf dem alten Kontinent noch keine Autos wie die von Tesla haben, hört man ständig ähnliche Antworten: Die Amerikaner machen damit kein Geld, sie produzieren zu wenig, usw. Aber auch Nokia behauptete einst, dass das Iphone von Apple nur ein 'Spielzeug' sei. Und wo steht heute der einstige Weltmarktführer für Mobiltelefone? Und wo Apple? ... Man muss kein Fan von Elektroautos sein. Aber man muss auf den Wandel vorbereitet sein. Ganz speziell gilt das für die Slowakei, die so stolz darauf ist, pro Kopf weltweit die meisten Autos zu produzieren.“
Schluss mit Lippenbekenntnissen
Die Politik sollte vor allem in die Infrastruktur investieren, fordern die Salzburger Nachrichten:
„Mittel- und langfristig geht es um den unvermeidlichen Umstieg auf Autos, deren Kraft aus der Batterie kommt. ... Die Politik muss dabei mithelfen und ihre Strategie ändern, soll der Umstieg auf die E-Mobilität kein Lippenbekenntnis bleiben. Es muss Schluss sein mit offenen und versteckten Förderungen für alles, wo Kraftstoff verbrannt wird, mit Prämien fürs Abwracken und Umsteigen. Statt mit Steuergeld das Kaufverhalten des Einzelnen zu lenken, soll die Politik öffentliche Mittel in Infrastruktur stecken. Den Wunsch, mobil zu sein, wird man Menschen nicht austreiben. Aber um ihn erfüllbar zu machen, ohne dass die Welt zum Treibhaus wird, müssen alle umdenken - und umlenken.“
Übergangstechnologie nutzen
Die finnische Regierung will bis 2030 die Verkehrsemissionen um 50 Prozent gegenüber 2005 senken. Dieses Ziel lässt sich nur durch die Nutzung von Biobrennstoffen erreichen, betont Kainuun Sanomat:
„Laut des Emissionsprogramms der Regierung sollen in Finnland 2030 etwa 250.000 E-Autos unterwegs sein, was weniger als zehn Prozent des Autobestandes entspräche. Dieses optimistische Ziel reicht längst nicht aus, um die Verkehrsemissionen zu halbieren. Es würde sie nur um fünf Prozent verringern. Im Hinblick auf die Emissionsziele sind Biobrennstoffe die einfachere und schnellere Alternative, denn sie können in heutigen Verbrennungsmotoren verwendet werden. Neben E-Autos wird ein kräftiger Ausbau der Produktion von Biobrennstoffen benötigt, die solange zum Einsatz kämen, bis der Autobestand ausreichend elektrifiziert ist.“
Dem Diesel eine Gnadenfrist geben
Die Debatte um die Zukunft des Diesels zielt an der Realität vorbei, beklagt die Welt:
„Benziner können die Selbstzünder nicht ersetzen, denn sie stoßen zu viel Kohlendioxid aus. Steigt der Marktanteil der Ottomotoren weiter, kann die Bundesregierung ihre Klimaziele kassieren. Dann haben wir - zu Recht - die nächste Klimadebatte. Der Diesel-Gipfel, den die Bundesregierung diese Woche einberufen hat, muss daher folgenden Spagat leisten: dem Diesel eine Gnadenfrist verschaffen, schon um die Millionen Autohalter nicht faktisch zu enteignen. Und den Autobauern verbindliche Quoten für Null-Emissions-Autos vorschreiben. Quoten, die man kontrollieren kann, die 'Schummeln' unmöglich machen.“
Den Verbrennungsmotor revolutionieren
Lidové noviny glaubt ebenfalls, dass die Dieselmotoren nun zu Unrecht verteufelt werden:
„Ein 'sauberer' Verbrennungsmotor muss keine Utopie bleiben. Die Ingenieure können das relativ schnell in den Griff bekommen. Dank der Tatsache, dass die Motoren mehr als 100 Jahre Entwicklungsgeschichte haben, lässt sich ziemlich leicht eine 'Revolution' implementieren. Was die Alternativen betrifft, weiß hingegen niemand wirklich, ob sie aus ökologischer Sicht besser sind. ... Ein Elektroauto mit Batterie- oder Brennstoffzelle produziert zwar lokal weniger Abgase, aber bei seiner Herstellung entstehen weit mehr Emissionen als bei der Produktion eines Autos mit Verbrennungsmotor.“
Nur nichts überstürzen
Vor überhasteten Entscheidungen warnt schließlich auch L'Echo:
„Eine Kehrtwende zu vollführen und zu beschließen, dass Dieselmotoren keine Zukunft haben, sie zu verbieten und anschließend die Kohlekraftwerke wieder anzuwerfen und Elektrofahrzeuge zu nutzen, verbessert die Welt nicht. Im Gegenteil. Die Mobilität ist als wesentlicher Bestandteil unseres Alltagslebens und angesichts ihrer Auswirkung auf unseren Planeten ein Thema von höchster Wichtigkeit. Wie jede große Herausforderung lässt sich das Problem nicht durch Schock-Ankündigungen und Pokerspiele regeln. Es geht nicht um die Entscheidung zwischen Diesel- oder Elektroautos. Genauso wenig wie man sich zwischen 'Autos oder nichts' entscheiden muss. ... Wir müssen gründlich darüber nachdenken, wie wir unsere Städte gestalten, wie wir arbeiten und welche Folgen jede unserer Fahrten hat. Wir müssen über ihren Nutzen nachdenken und über ihren ökologischen Fußabdruck.“