Abgekartetes Spiel um Air Berlin?
Die Lufthansa und zwei weitere Interessenten verhandeln derzeit mit der insolventen Air Berlin über Teilübernahmen. Deren Großaktionär Etihad Airways hatte am Wochenende den Geldhahn zugedreht. Die Bundesregierung bürgte für einen Überbrückungskredit an die marode Fluglinie, was Luftfahrt-Konkurrent Ryanair kritisierte. Kommentatoren erklären die Hintergründe.
Kampf um Start- und Landerechte
Der Standard erklärt, warum die Lufthansa ein Interesse an den staatlichen Hilfen für Air Berlin hat:
„Ziel der Lufthansa ist es, die Einstellung des Flugbetriebs der Air Berlin zu verhindern. Würde es dazu kommen, gingen die begehrten Start- und Landerechte an andere Airlines. Das will Lufthansa aus Konkurrenzgründen natürlich verhindern, und das war letztlich auch ein Grund für den Überbrückungskredit der deutschen Regierung. Solange [Air Berlin] fliegt, kann die Lufthansa über eine Übernahme von Teilen der [Air Berlin]-Gruppe verhandeln. Sie kann die Slots samt [Air Berlin]-Fliegern aber nicht allein übernehmen. [Air Berlin] bevorzugt Easyjet, die weniger aggressiv auf dem Markt agiert als Ryanair.“
EU braucht klare Luftfahrtstrategie
Dass die Pleite zu einer Neujustierung der europäischen Luftfahrtpolitik führt, wünscht sich die Frankfurter Rundschau:
„Es dürfte kaum einen wirtschaftspolitischen Schauplatz geben, wo es derart inkonsistent zugeht. Zwar macht sich die EU-Kommission seit mehr als zwei Dekaden für die Liberalisierung der Fliegerei stark. Doch wenn es hart auf hart kommt, knickt sie ein. Dadurch wurden Airlines in der Luft gehalten, die längst nicht mehr flugfähig waren. … Brüssel hat sich zugleich auf eine verkappte Art und Weise als Förderer der Billigfliegerei profiliert, was sich unter anderem darin äußert, dass bei deren Subventionierung durch Flughafenbetreiber großzügig hinweggesehen wird. … Wir brauchen eine konsistente EU-Strategie, die das Gebühren-Dumping der Flughäfen und das Lohndumping der Billigflieger stoppt.“
Absturz mit Ansage
Die Niedergang von Air Berlin war schon lange abzusehen, erläutert Der Standard:
„Flüge starteten verspätet oder gar nicht, Koffer kamen nicht an, bei Bilanzpressekonferenzen gab es nur noch Hiobsbotschaften. Dazwischen lag der Wunsch, überall dabei sein zu wollen: bei der Kurz-, der Mittel- und der Langstrecke. Bei den Billigtouris und den Geschäftsleuten. Ein Management nach dem anderen fand aus diesem 'Wir fliegen überall mit' nicht mehr heraus, die Schulden wuchsen. Dass Hauptaktionär Etihad jetzt nicht einmal mehr eine geordnete Abwicklung abwarten mochte, sondern frühzeitig den Geldhahn zudrehte, ist bitter, war nach ökonomischen Maßstäben aber zu erwarten.“
Niemand braucht diese Airline
Air Berlin ist am schlechten Management gescheitert, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Etihad zwang die deutsche Tochter dazu, sich auf Geschäftsreisende zu konzentrieren, ein Segment, in dem Air Berlin gegen Lufthansa und all die Allianzen keine Chance hatte. Gleichzeitig vernachlässigte Air Berlin den Bereich, in dem sie groß geworden ist, die Ferienfliegerei. Den Privatreisemarkt beherrschen Ryanair, Easyjet und die anderen Billigflieger, weil sie günstiger produzieren und Geschäftsmodelle verfolgen, die auch funktionieren. Die Wahrheit ist: Niemand braucht Air Berlin. So verständlich es ist, dass die Bundesregierung nun einen Überbrückungskredit bereitstellt, damit die Flugzeuge nicht stehen bleiben und wenigstens die vielen Urlauber in den nächsten Wochen nach Hause fliegen können, so wichtig ist es auch, dass es keine weiteren Staatshilfen gibt.“
Marktbereinigung statt Subventionitis
Die Neue Zürcher Zeitung warnt davor, Air Berlin auf Staatskosten am Leben zu halten:
„Langfristiges Aufrechterhalten des Betriebs mit deutschem Steuergeld? Es ergibt weder in Rom noch in Berlin Sinn, Staatsgeld in eine nicht überlebensfähige Fluggesellschaft zu stecken. Wie schon beim Rettungsmanöver für Alitalia stellt sich erneut und mit unverminderter Schärfe die Frage, ob mit sogenannter Brückenfinanzierung nicht gegen Verbote der Europäischen Union zur Finanzbeihilfe verstoßen wird. Statt in eine unübersichtliche Subventionitis abzudriften, ist einer Bereinigung der Marktverhältnisse der Vorzug zu geben.“