Gesichtserkennung: Harmloses Pilotprojekt?
Seit Anfang August läuft am Berliner Bahnhof Südkreuz ein umstrittenes Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung. An drei Stellen filmen Kameras die Fahrgäste, Computer vergleichen deren Bilder dann mit den gespeicherten Gesichtern von 300 freiwilligen Testpersonen. Das Experiment wird auch in den Medien kontrovers diskutiert.
Recht auf Anonymität aufgehoben
Für die Süddeutsche Zeitung wäre mit der automatisierten Gesichtserkennung endgültig die komplette Kontrolle dem Big Brother überlassen:
„Es wird ... wiederum heißen: Wer nichts zu verbergen habe, der habe nichts zu befürchten. Wirklich nicht? Auch der, der nichts zu verbergen hat, wird doch gescannt, erfasst und womöglich auch noch gespeichert. Hat der Mensch, der nichts angestellt und nichts Schlimmes zu verbergen hat, kein Recht mehr, unbeobachtet zu bleiben? Ist künftig jeder Mensch polizeipflichtig? Ist jeder Mensch potentiell verdächtig? Muss er sich rastern lassen, um zu beweisen, dass er nicht verdächtig ist? ... Es wird national und international eine Infrastruktur der Überwachung etabliert. Der Terrorismus hat das rechtsstaatliche Denken besetzt.“
Kein Grund zur Hysterie
Keine prinzipiellen Einwände hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sieht aber juristisch noch einigen Klärungsbedarf:
„Es ist gut, dass Datenschützer, Anwälte und die Grünen hier genau hinschauen. Warum freilich die herkömmliche Videoüberwachung an bestimmten Plätzen allseits anerkannt ist und die biometrische Erfassung 'totalitäre Züge' tragen soll, erschließt sich nicht auf Anhieb. Die Gesichtserkennung steht noch unter Beobachtung. Die Überwachung aller Bürger steht nicht bevor. Auf der anderen Seite sollte die Bedrohungslage nicht vergessen werden. Die erforderliche Abwägung kann nur treffen, wer sich ein genaues Bild macht.“