Labour setzt auf weichen Brexit
Just zum Beginn der neuen Verhandlungsrunde zwischen London und der EU hat sich die Labour Party zum Brexit positioniert: Großbritannien soll nach dem Austritt während einer bis zu vierjährigen Übergangsphase Mitglied von Binnenmarkt und Zollunion bleiben. Damit geht Labour auf Konfrontationskurs zur konservativen Regierung von Theresa May. Werden die Karten im Brexit-Poker nun neu gemischt?
Bleibt Großbritannien doch in der EU?
Nach dem Kurswechsel der Labour-Partei ist ein erneutes Referendum wieder denkbar, freut sich Irish Examiner:
„Labour hat sich beim Thema Brexit zum ersten Mal klar von den Konservativen distanziert und eine Grenze gezogen. Das ist eine folgenschwere Entscheidung. Und eine Folge könnte sein, dass Labour im Vorfeld der nächsten Parlamentswahlen ein zweites Brexit-Referendum verspricht - vorausgesetzt, der neue Kurs findet ausreichend Unterstützung. Vor nicht allzu langer Zeit hätte man das noch als Wunschdenken abgetan. Doch nun, da den Briten - und Iren - dämmert, welch unschöne Auswirkungen der Brexit haben wird, gibt es plötzlich ein kleines Licht am Ende des Tunnels.“
Labour möchte "ein bisschen schwanger" sein
Der Vorschlag der Labour-Partei zeigt erneut das Dilemma, in das sich die Briten mit dem Brexit hineinmanövriert haben, kommentiert Der Standard:
„Denn die Mitgliedschaft im Binnenmarkt verlangt, wie das Beispiel Norwegen zeigt, auch den freien Personenverkehr. Und die Einschränkung der Zuwanderung war die einzige Position, bei der in der britischen Bevölkerungsmehrheit Einigkeit herrscht. Ein Verzicht würde Labour politisch ebenso viel kosten wie der wirtschaftliche Schaden eines harten Brexits die Konservativen. Letztlich müssen beide auf eine Lösung hoffen, in der das Königreich 'ein bisschen schwanger' sein darf: Teile des Binnenmarkts, gepaart mit ein paar Zuwanderungshürden. Das widerspricht allerdings den Grundsätzen der EU.“
Labour zeigt klare Kante
Der Kurswechsel der Labour Party freut Financial Times:
„Die Erklärung von Labour ist mehr als ein Jahr nach dem Brexit-Referendum die erste politische Initiative einer großen Partei, mit der man sich klar distanziert von unrealistischen Hoffnungen auf eine schnelle und einfache Trennung von der EU oder auf eine maßgeschneiderte Übergangsregelung. Stattdessen geht es darum, mit den wirtschaftlichen Realitäten des EU-Austritts zurechtzukommen. Dank dieser Erklärung ist Labour den Konservativen nun viele Schritte voraus. ... Was auch immer die Motivation für den Kurswechsel war, mit diesem stellt sich Labour nun klar auf die Seite der Wirtschaft. Außerdem wird die Regierung unter Druck gesetzt, noch stärker pragmatisch vorzugehen.“
Endlich mal ein guter Vorschlag
Labours Vorschlag würde die Brexitverhandlungen entlasten, lobt De Tijd:
„Die größte Oppositionspartei will ein 'anhaltendes' Fegefeuer vermeiden. Labour zufolge ist es unmöglich, vor März 2019 sowohl eine Übergangsregelung zu treffen als auch einen endgültigen Plan ausgearbeitet zu haben. ... Angesichts des Trödelns der Tory-Regierung muss man ihnen Recht geben. ... Der Vorschlag von Labour ist keine endgültige Lösung, aber er verringert den Druck angesichts der Deadline März 2019. Die Diskussionen könnten sich nun endlich um den eigentlichen Kern der Sache drehen.“
Briten blieben am Gängelband der EU
Was Labour fordert, entspricht für The Guardian allerdings einem Worst-Case-Szenario:
„Die Labour Party weiß, dass keine guten Optionen zur Wahl stehen. Prinzipiell würde der Verbleib im Europäischen Wirtschaftsraum vor vielen der Gefahren schützen, die durch einen harten Brexit drohen. Doch gleichzeitig würden auf einen Schlag alle Lügen der Brexit-Anhänger Realität. Wollen wir wirklich eine kleine Insel werden, die dem Diktat ausländischer Politiker unterworfen ist und keinen Einfluss auf die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Zukunft hat? Es mag immer noch unklar sein, was genau jene britischen Wähler wollten oder erwarteten, die für den Brexit stimmten. Doch für ein solches Szenario stimmte sicher niemand.“