Lombardei und Venetien wollen mehr Autonomie
In Volksabstimmungen in den norditalienischen Regionen Lombardei und Venetien haben sich die Wähler am Sonntag mit großer Mehrheit für größere Autonomierechte ausgesprochen. Sie sollten aber vor Augen haben, dass der Föderalismus in Italien kein Allheilmittel ist, werfen Kommentatoren ein.
Südtirol ist nicht Sizilien
Wenn das Thema Autonomierechte in Italien nun auf die Tagesordnung gehievt wurde, sollte man dort bedenken, dass mehr Föderalismus nicht automatisch zu einer besseren Verwaltung führt, bemerkt die Neue Zürcher Zeitung:
„Die Regierung von Matteo Renzi hatte im letzten Jahr mit einer Verfassungsreform unter anderem auch versucht, den Staat durch eine gewisse Zentralisierung schlanker und effizienter zu machen. Denn mehr Föderalismus hat sich in Italien nicht immer als Heilmittel erwiesen. Während einige der fünf Regionen mit Sonderstatut wie Trentino-Südtirol damit sehr gut gefahren sind, hat die weitgehende Autonomie in Sardinien und Sizilien chronische Probleme wie Bürokratie und Korruption nur noch verschärft.“
Revolte gegen die da oben
Auf dem Wahlzettel ging es um mehr Autonomie, doch dahinter stand eine andere und wichtigere Frage, erörtert La Stampa:
„Seid ihr zufrieden mit dem aktuellen Stand der Dinge? Die Antwort war ein allseitiges, gigantisches Nein. Und die Regierung und die Parteien in Rom wären schlecht beraten, dieses mit einem Achselzucken abzutun. Wir haben es mit der x-ten Demonstration gegen 'die da oben' seitens 'der da unten' zu tun, mit einem Protest, der sich längst gegen die leitenden Klassen in allen europäischen Staaten richtet. … Wer gestern gewählt hat, ist nicht plötzlich Anhänger der Lega Nord geworden. Er fühlt sich vom Staat alleingelassen, von der nationalen poltischen Klasse verraten. Und er hofft, dass eine andere Dimension der Macht, die ihm näher steht, die seine Sprache, seinen Dialekt spricht, ihm die Antworten geben kann, nach denen er vergeblich sucht.“
Wasser auf die Mühlen der Nationalisten
Das Referendum wurde mit Blick auf die Parlamentswahl im Frühling 2018 organisiert, erklärt La Repubblica:
„Die Abstimmung ist in vielerlei Hinsicht unnütz, denn die verfassungsrechtliche Umsetzung der neuen Normen zur Dezentralisierung war schon in der Reform von Titel V [der Verfassung] vorgesehen. Doch hilft das Referendum den lokalen Politikern und gießt so Wasser auf die Mühlen der Lega Nord. Die direkte Folge: Nationalist Salvini bekommt den Rücken gestärkt gegenüber [Bündnispartner] Forza Italia. … Die Lega wird noch entschlossener sein, ihr Recht geltend zu machen und erhalten, was sie verlangt: genügend Sitze, mit denen sie [Forza-Italia-Chef] Berlusconi an sich bindet und ihn daran hindert, eine Koalition mit Renzi einzugehen. Oder anders gesagt: Wenn es schon eine Regierung der nationalen Einheit geben soll, dann nicht ohne die Lega. Keine rosige Aussicht für das Mitte-links-Lager.“