Warum MeToo in Schweden so viele berührt
Während die MeToo-Kampagne gegen sexualisierte Gewalt anderswo an Fahrt verliert, schlägt sie in Schweden immer höhere Wellen. Erst vereinigten sich Künstlerinnen und Journalistinnen in ihrem Protest, dann schlossen sich Bürgerinnen und Bürger aus allen Teilen der Gesellschaft an. Zu Recht, finden schwedische Medien, denn in dem Land, in dem sich sogar der Premier einen Feministen nennt, werde noch immer zu viel weggeschaut.
Fehlendes Problembewusstsein schockiert
Vielen, und besonders Männern, fehlt hinsichtlich dessen, was die MeToo-Kampagne anspricht, noch immer jegliches Problembewusstsein, konstatiert Aftonbladet:
„Am Mittwoch gab es wieder einen Aufruf und 1.700 Personen berichteten von Übergriffen und Mobbing, von jungen Schülern bis hin zum Schulpersonal. Viele erzählten, wie sie sich an Lehrer und Rektoren wandten und um Hilfe baten. 'Jungs sind halt Jungs, du solltest das als Kompliment betrachten', bekamen sie zu hören. Die Erwachsenen enttäuschen. Und hierin liegt die Wurzel dessen, was aus MeToo entstanden ist. Es gibt Taten, die aufgeklärt und geahndet werden müssen. Aber es geht noch um etwas Anderes. Um das männliche Desinteresse für die Grenzen anderer Menschen. Um das Unvermögen, die Hände auf den Oberschenkeln der Kollegin oder Bemerkungen über ihre Brüste als Elemente einer Ordnung zu begreifen, in der Körper bewertet, konsumiert und untergeordnet werden.“
Aufbegehren gegen Kultur des Schweigens
Dass viele Berichte von Übergriffen und Belästigungen bisher stillschweigend akzeptiert wurden, wirft nach Meinung von Svenska Dagbladet einen dunklen Schatten auf die moralische Großmacht Schweden:
„Während der MeToo-Kampagne kam ein Phänomen ans Tageslicht, das nicht rein schwedisch ist, aber in unserer Kultur häufig anzutreffen ist: die interessante Koexistenz öffentlicher Wahrheiten und Lügen. Die moralische Großmacht mit ihrer ersten feministischen Regierung und der weltberühmten Gleichberechtigung kann sich selbstverständlich auf die Schultern klopfen, zumindest wenn sie sich mit einem beliebigen Land vergleicht, das noch nicht so weit gekommen ist. Das blau-gelbe Selbstverständnis ist großartig. Aber wir sehen nun, worauf es sich gründet: eine Kultur des Schweigens, der Konfliktscheue und Heuchelei.“