Hat Carrefour den Wandel verschlafen?
Die französische Supermarktkette Carrefour will Stellen streichen - rund 1200 davon in Belgien. Das Unternehmen begründet die Pläne mit dem steigenden Druck durch die Konkurrenz im Onlinehandel. Belgische Kommentatoren werfen der Konzernführung in Paris Kurzsichtigkeit und mangelndes Gespür für den Markt vor Ort vor.
Am Ende zahlen die Arbeiter die Zeche
Der Konzern hat die technologische Entwicklung verschlafen, klagt De Morgen:
„Wie ein Flächenbrand zieht sich die Umwälzung als Folge der ständigen technologischen Erneuerung durch zahlreiche Wirtschaftsbereiche. Geschäftsmodelle verändern sich ohne Rücksicht auf Traditionen oder Hierarchien. ... Ein Unternehmen, das sich nicht rechtzeitig anpasst, geht unter. ... Carrefour ist besonders spät zur Einsicht gekommen, dass sich etwas am Konsumentenverhalten verändert. ... Der große Herausforderer des Sektors, Amazon, besteht bereits seit 24 Jahren. Dann wird es tatsächlich so langsam Zeit, mit einer eigenen Antwort zu kommen. ... Es ist zynisch und bitter, dass schon wieder die Arbeitnehmer den Preis für die arrogante Kurzsichtigkeit der Oberen bezahlen müssen.“
Stiefmütterliche Behandlung Belgiens
Wie bei früheren Umstrukturierungen muss Belgien wieder besonders stark bluten, empört sich L'Echo:
„Man hat den Eindruck, dass das 'flache Land' den Preis zahlt für das Fehlen einer strategischen Vision am aufgeblähten Pariser Firmensitz. ... Seit Carrefour vor 20 Jahren nach Belgien gekommen ist, hat man den Eindruck, dass sich die Geschichte wiederholt. Obwohl Belgien eine der größten Auslandsniederlassungen des Konzerns ist, schickt dieser weiter französische Manager, die kommen und gehen (6 Chefs in 18 Jahren!). Wir wollen hier keinen billigen Nationalismus betreiben, doch fragt man sich: Ist das der beste Weg, um die Realität eines lokalen Markts zu erfassen, gerade wenn es um ein kompliziertes Land und eine Sparte wie den Lebensmittelhandel geht, dessen wichtigstes Gebot die Nähe ist?“