Schüsse auf Migranten in Italiens Wahlkampf
Im italienischen Macerata hat ein Mann am Samstag 30 Schüsse auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe abgefeuert und sechs Personen teils schwer verletzt. Bei seiner Verhaftung machte der Anhänger der rechtsextremen Lega Nord den Faschistengruß. Der Vorfall rückt die Migrationspolitik auf populistische Weise in den Mittelpunkt des Wahlkampfs, beobachten Kommentatoren besorgt und sehen auch die EU in der Verantwortung.
Wettstreit des Populismus
Nach den Schüssen auf Einwanderer in Macerata hat Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi Migranten als "soziale Bombe“ bezeichnet und massive Abschiebungen versprochen. Damit will er die Radikalen rechts überholen, befürchtet La Repubblica:
„Der Forza-Italia-Chef hat nicht nur darauf verzichtet, sich vom Lega-Chef [Salvini] zu distanzieren, sondern er hat sogar noch auf die Schnelle vorgeschlagen, 600.000 illegale Einwanderer abzuschieben. Das bedeutet, dass der 'gemäßigte' Berlusconi den 'Extremisten' Salvini fürchtet. … Die Lega könnte einen paradoxen Vorteil aus den tiefen Wunden ziehen, die Geschehnisse wie die in Macerata dem Sozialgefüge zufügen.“
EU lässt den Süden im Stich
An der im italienischen Wahlkampf eskalierenden Debatte über Migranten und Flüchtlinge trägt auch die EU Mitschuld, konstatiert De Volkskrant:
„Der größte Teil der illegalen Migranten lässt sich kaum ausweisen. Sobald sie nach ihrer Ankunft registriert sind, reisen sie frei weiter und stoßen auf die geschlossenen Grenzen von Frankreich, Österreich und der Schweiz. In der Folge liegt die Migrations-Last voll auf Italiens Schultern. Das Wiederaufleben der ausländerfeindlichen Rechten in Italien muss man auch Brüssel zuschreiben. Genau wie in Griechenland verweigerten die europäischen Mitgliedsstaaten ihre Hilfe und ließen Italien bei der Migrationsproblematik alleine wurschteln. ... Und so bestimmt der schwache europäische Auftritt in der Migrationskrise vorläufig weiterhin Wahlergebnisse. “
Ohne politische Mitte wird es gefährlich
Die Frankfurter Rundschau sieht das Thema Migration endgültig im italienischen Wahlkampf angekommen:
„Die fremdenfeindliche Lega treibt die anderen Parteien bei der Flüchtlings- und Migrationspolitik vor sich her. Als sie zum letzten Mal mit der Partei von Silvio Berlusconi regierte, trug deren Politik gerade in diesem Bereich die brachiale Handschrift des kleineren Partners. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Mitte-Rechts-Bündnis nach den Parlamentswahlen Anfang März erneut die Regierung stellt. Italien, dessen große Volksparteien viel früher zerfielen als die in anderen westeuropäischen Ländern, zeigt, welche Macht fremdenfeindliche Parteien ausüben können, wenn man sie gewähren lässt und die politische Mitte fehlt. Sie sind eine Gefahr für die Demokratie.“
Berlusconi wird sich wohl kaum distanzieren
Auch der Tages-Anzeiger warnt vor einer möglichen Regierungsbeteiligung der Lega Nord unter ihrem rechtsextremen Anführer:
„Unlängst sagte Salvini, er werde eine halbe Million Migranten aus dem Land werfen, sollte er an die Macht kommen. Sofort! Italien den Italienern! Man hört Marine Le Pen reden. Matteo Salvini jedoch könnte tatsächlich an die Macht kommen, zusammen mit seinen Partnern Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni [von der nationalkonservativen Partei Fratelli d’Italia]. Das rechte Wahlbündnis liegt vorn, eine knappe Mehrheit im Parlament scheint möglich. Von Berlusconi weiß man, dass er Salvini nicht leiden kann, weder persönlich noch politisch. Die Allianz ist allein dem Stimmenkalkül geschuldet. Es wäre Zeit, dass Berlusconi sich vom Angstmacher distanziert. Möglichst laut, möglichst vor den Wahlen. Wahrscheinlich ist das allerdings nicht.“
Italien fühlt sich von Europa verlassen
So kurz vor der Wahl werden wohl alle Parteien den Anschlag ausschlachten, fürchtet Delo:
„Eine Partei, die nicht populistisch ist, gibt es derzeit nämlich nicht. Einige Beobachter fürchten, dass die Aktion vor einem Denkmal für gefallene Soldaten der Lega Nord zum Erfolg verhelfen wird, die auf europäischer Ebene mit Marine Le Pens Partei in Frankreich verglichen wird. Italien denkt jetzt, da ein immer größerer Teil der Bevölkerung vor allem im Süden an Entbehrungen leidet, an seine glänzenderen Zeiten. Die Ereignisse von Macerata sind durch die wirtschaftliche Krise sowie die massenhafte Ankunft von Menschen aus Afrika umso besorgniserregender. Denn Italien fühlt sich von Europa verlassen, vernachlässigt und unterschätzt.“
Reaktion auf importierte Kriminalität
Alessandro Sallusti, Chefredakteur der zum Berlusconi-Konzern gehörenden Tageszeitung Il Giornale, verurteilt das Attentat zwar, hat jedoch auch eine Erklärung dafür:
„Die Stimmen, die seit Jahren in unseren Städten immer lauter werden, wurden überhört. Verzweifelte Klagen über eine importierte Kriminalität, die ungestraft bleibt. Eben diese hat in den letzten Tagen auch Macerata erschüttert. Ein vorbestrafter nigerianischer Migrant, ein Drogenhändler, der längst hätte ausgewiesen werden müssen, hat eine junge Frau, Pamela, getötet und die Leiche zerstückelt. Wenn die Linken nun behaupten, dass [der Attentäter] Luca Traini der Beweis ist, dass wir ein rassistisches Land geworden sind, dann müssen sie auch eingestehen, dass der Nigerianer von Macerata, der Pamela zerstückelt hat, der Beweis dafür ist, dass die Migration, ein kriminelles Phänomen ist, das gestoppt werden muss.“