Schweiz: Ja zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Die Schweizer haben am Sonntag klar für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (SRG) gestimmt. Dennoch bleibt die Forderung nach Reformen präsent und die SRG hat bereits angekündigt, zu sparen und Stellen zu streichen. Kommentatoren wünschen sich vor allem Reformen der Programmgestaltung.
Der Gemischtwarenhändler hat ausgedient
Trotz der Ablehnung der No-Billag-Initiative ist es Zeit für Programmreformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Schweiz, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„Angesichts des Medienwandels und der explosionsartigen Vermehrung der Angebote ist die Diskussion um Leistung und Umfang des audiovisuellen Service public fortzuführen. Je stärker das Internet den Kommunikationsmarkt prägt, desto mehr muss der Leistungsauftrag an einen öffentlichen Anbieter fokussiert werden. Die Zeit der generalversorgenden Gemischtwarenhändler, die sich aus Gebühren finanzieren, geht zu Ende. Die Bereitstellung von eingekauften Serien oder die Produktion reiner Unterhaltungsshows wird obsolet.“
Auch der deutsche Rundfunk sollte ausmisten
Die Süddeutsche Zeitung sieht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich in der Krise und glaubt, dass es ähnliche Debatten auch in Deutschland geben wird:
„[D]ie Medienwelt hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert: durch das Privatfernsehen und dann durch das Internet, in dem von überallher auf der Welt alles zu bekommen ist, was man so will und braucht, auch gutes Fernsehen. Um mitzuhalten, sind ARD, ZDF und Deutschlandradio gewachsen auf ein Budget von acht Milliarden Euro jährlich für zusammen 20 TV-Sender und mehr als 60 Radioprogramme, dazu Internetangebote. Wollen wir das? Und wenn nein, was genau wollen wir vom Rundfunk? Diese Frage muss nicht nur erlaubt sein, um sie muss gestritten werden.“
In Zeiten von Fake News unverantwortlich
Le Temps findet, dass die "No Billag"-Initiative zur Abschaffung der Rundfunkgebühren total unzeitgemäß ist:
„Sie wird ausländische Radio- und TV-Sender sowie digitale Firmen à la Google und Facebook begünstigen. Inhaltlich geht man dadurch das Risiko ein, redaktionelle Abdeckung und Meinungsvielfalt zu reduzieren. In einem Land, in dem die Bürger vier Mal pro Jahr an die Urne gebeten werden, käme dies einer Trockenlegung der demokratischen Debatte gleich. Angesichts der starken Verbreitung von Propaganda und Fake News ist der Schritt unverantwortlich.“
In einer direkten Demokratie unverzichtbar
Gerade in der Schweiz sind öffentlich-rechtliche Medien notwendig, mahnt Pierre Ruetschi, Chefredakteur der Tageszeitung Tribune de Genève, in einem Gastbeitrag für La Repubblica:
„In einer direkten Demokratie, die der Bevölkerung selbst die Macht in die Hand gibt, ist es doppelt wichtig, ständig informiert zu sein. In dieser Hinsicht ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen (SSR) mit seinen fünf Fernsehkanälen und siebzehn Radiosendern ein zentrales Element des Zusammenhalts. ... Wenn die Initiative 'No Billag' vom Volk angenommen werden und die Radio- und Fernsehgebühr von 451 Franken pro Jahr wegfallen sollte, dann wird der SRF 75 Prozent seiner Einkünfte verlieren und somit aufgelöst werden. Das so entstehende audiovisuelle Vakuum bliebe nicht ohne Konsequenzen.“
Wir können auch ohne öffentlichen Rundfunk
Der Ökonom Pierre Bessard von der Genfer Denkfabrik Institut libéral kann derweil nicht erkennen, wieso der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Fundament für den nationalen Zusammenhalt sein soll. So schreibt er in Contrepoints:
„Die Grundsteinlegung der heutigen Schweiz liegt über ein Jahrhundert vor der Einführung des staatlichen Rundfunks. Was der Schweiz ihre Stabilität verleiht, ist das Gegenteil von dem, was der SRF verkörpert: verfassungsrechtlich verankerte persönliche Freiheiten, Wettbewerb lokaler Rechtsprechungsorgane, liberale Marktwirtschaft und eine starke, pluralistische Bürgergesellschaft. Alles Merkmale, die im Widerspruch stehen zum Prinzip steuerfinanzierter nationaler Medien. Nichts hindert im Übrigen eine private Organisation daran - sei sie gemeinnützig oder nicht - als Brücke zwischen den Regionen zu fungieren. Vielfach ist das bereits so.“