Spanische Spitzenpolitikerin nimmt den Hut

Die Regionalpräsidentin von Madrid, Cristina Cifuentes, ist am Mittwoch zurückgetreten, nachdem Medien ein Video veröffentlicht hatten, das sie vor sieben Jahren bei einem mutmaßlichen Ladendiebstahl zeigt. Zuvor war sie bereits wegen eines mutmaßlich gefälschten Universitätsabschluss in die Kritik geraten. Was sind die Folgen des Sturzes von Cifuentes?

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El País (ES) /

Alle haben versagt

Der Sturz der Regionalpräsidentin vereint sämtliche Negativbeispiele des Politikgeschäfts, zählt El País auf:

„Das Abstreiten und die Lügen von Cifuentes; das Mitwirken der Uniprofessoren, die der Politikerin durch Urkundenfälschung beistanden; das starre Schweigen von Mariano Rajoy; der Beistand der Parteikollegen, als der Betrug schon mehr als offensichtlich war; und schließlich das Hervorkramen schmutziger Wäsche, die jemand seit 2011 aufbewahrt hatte, um sie nun in Mafia-Manier als politische Mordwaffe einzusetzen, was uns einen tiefen Sumpf offenlegt, der mit Demokratie nichts zu tun hat. ... Nicht nur, dass sämtliche Parteiverantwortliche der PP versagt haben. Aus den Untiefen sind auch Praktiken des politischen Machtkampfs durch unfaire Tiefschläge an die Oberfläche gekommen, die eigentlich in die Unterwelt gehören.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Machtwechsel in Madrid wird wahrscheinlicher

Spaniens konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) ist nun so geschwächt, dass vieles für einen politischen Wandel spricht, meint El Periódico de Catalunya:

„Die Verstrickung der PP in korrupte Angelegenheiten hat ein inakzeptables Maß erreicht. ... Mit Cifuentes fällt einer der potenziellen Nachfolger Rajoys. Aus Sicht des PP-Chefs ist ihr Rücktritt besser als ein Misstrauensvotum, weil er nun selbst einen Kandidaten suchen kann. ... Angesichts abstürzender Umfragewerte mit Blick auf die kopflose Politik in Katalonien und die Korruption weist die Krise der Regierungspartei zweifellos auf eine politische Wende hin.“

eldiario.es (ES) /

Worauf soll die Mittelschicht nun stolz sein?

PP-Politiker Juan Martínez Majo hat öffentlich gefragt, was eigentlich das Problem sei, wenn Parteikollegin Cifuentes keinen Masterabschluss hätte, das habe schließlich nichts mit ihrer Politik zu tun. Ignacio Escolar, der den Skandal als Chefredakteur von eldiario.es aufdeckte, gibt die Antwort:

„Das Problem ist, dass sie den Titel hat. Sie hat ihn vor einem halben Jahr abgeholt, mit Hilfe einer Angestellten, die illegalerweise die Noten änderte. ... Das Problem ist auch, dass Cifuentes den Titel nicht verdient, weil sie sich nicht rechtzeitig einschrieb, weder zum Unterricht noch zu den Prüfungen erschien und keine Abschlussarbeit schrieb. Dass sie ihn erhielt, weil sie aufgrund ihrer Position bevorzugt wurde. ... Das Problem ist, dass die Universität der Stolz der spanischen Mittelschicht war. Dass es große Mühen gekostet hat, ihr Prestige aufzubauen. Dass man glaubte, sie sei für alle gleich.“

ABC (ES) /

Demokratie der Pappmaché-Akademiker

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, mahnt hingegen die konservative Tageszeitung ABC:

„Derselbe sozialistische Abgeordnete, der nun für einen Misstrauensantrag wirbt, war jahrelang ein falscher Diplom-Mathematiker. Und bislang hat auch noch niemand die berüchtigte Doktorarbeit [des Sozialistenführers] Pedro Sánchez zu Gesicht bekommen. Eine Pappmaché-Demokratie aus Politikern, die viel weniger studiert haben, als sie vorgeben, und ihre Lebensläufe mit Lügen und Fälschungen aufblähen, ist skandalös. Aber alle sollten mit gleichem Maß bemessen und gleichermaßen von den Medien gescholten werden, so dass die gesellschaftliche Empörung nicht von einer Ideologie bestimmt wird.“