Moskau versucht Telegram zu blockieren

Seit rund zwei Wochen versucht die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor, den weit verbreiteten Messenger Telegram zu blockieren. Die Behörde sperrte dabei auch 16 Millionen IP-Adressen von Amazon, Google und anderen Netzbetreibern, auf deren Infrastruktur Telegram auswich. Millionen von Internetseiten sind derzeit nicht zugänglich. Geht der Schuss nach hinten los?

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Republic (RU) /

Russland verbaut sich seine digitale Zukunft

Der russische Staat entzieht sich selbst den Boden für eine Modernisierung in Richtung Digitalwirtschaft, fürchtet Republic:

„Die Stabilität der Kommunikation, das ist es, worauf in den nächsten 20 Jahren die Wirtschaft aller entwickelten und vieler sich entwickelnder Länder aufbauen wird. Sie ist wie die Luft zum Atmen. Elemente des 'Internets der Dinge' gibt es in Russland schon heute. Deshalb ging in der vergangenen Woche die Sorge um, dass vielleicht die Software irgendeines Computertomographen einer Regionalklinik, die Steuerprogramme einer Chemiefabrik oder das Leitsystem einer U-Bahn im Falle eines ernsthaften Problems nach der nötigen Information in einer Cloud suchen könnten - und diese dann wegen der Heldentaten der Genossen von Roskomnadsor nicht zugänglich ist.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Schon Kampf gegen Kopierer war nicht erfolgreich

Russlands Behörden haben die Funktionsweise des Internets nicht verstanden, meint Eesti Päevaleht:

„Blockieren von Internetressourcen ist ein altes Instrument, das die russischen Machthaber nutzen, um gegen 'verbotene Informationen' zu kämpfen. Seit vier Jahren blockiert die Regierungsbehörde Roskomnadzor Portale wie Grani.ru und Kasparov.ru. Die Blockade ist jedoch nicht sehr effektiv, denn die Machthaber verstehen das Wesen der Informationstechnologie nicht. ... Im Zeitalter der globalen Vernetzung können Dienste wie Telegram nur blockiert werden, wenn Russland komplett vom Internet abgetrennt wird. Das ginge nur, wenn Russland etwas Ähnliches errichten würde wie eine chinesische Mauer für das Internet. ... Die Situation erinnert an den Kampf gegen Kopiermaschinen in der Sowjetunion der 1980er Jahre. Wozu das geführt hat, wissen alle.“

Wedomosti (RU) /

Die Zensur-Behörden hält nichts mehr auf

Die Wirtschaftszeitung Wedomosti rechnet mit einer immer umfassenderen Zensur im Netz:

„Wenn bei der Staatsmacht der Wunsch entsteht, russische User von irgendeinem Service zu trennen, so hält sie offenbar nichts mehr auf: weder dessen Popularität, die Nutzung durch die Staatsmacht selbst noch die Absurdität der Begründung der Blockade. Nach Telegram könnte jeder andere Messenger der nächste sein, der den Mut zeigt, sich den Beamten zu widersetzen. ... Die Absurdität der Verbote und Einschränkungen zusammen mit der Bulldozer-haften Beharrlichkeit ihrer Initiatoren und Ideologen ist eine schädliche Mischung, die nur Zynismus hervorbringt.“

Iswestija (RU) /

Kriminelle können Sperren leicht umgehen

Die Blockade ist völlig ineffektiv, erklärt Iswestija:

„Über jede Menge VPN und Proxy-Server kann man die Blockade umgehen - und alle kann der Staat nicht sperren. Die meisten Russen nutzen diese zwar kaum, doch Kriminelle gehören eben nicht zu dieser Mehrheit. Jemand, der einen Terrorakt plant, wird auch herausfinden, wie VPN funktioniert. Für Fanatiker spielen all diese Blockaden im Prinzip keine Rolle. Das heißt, dass wir Terroristen und Drogenhändlern also gar keinen Kommunikationskanal wegnehmen. Doch genau damit begründen die Sicherheitsbehörden, dass sie einen Zugang zur Verschlüsselung der Messenger brauchen. Und darüber hinaus zwingen wir jetzt potenzielle und reale Verbrecher dazu, sich hinter Sichtblenden zu verstecken, was es noch schwerer macht, sie zu verfolgen.“