Tempolimit: Wien will rasen, Paris will bremsen
In Frankreich hat die Regierung das Tempolimit auf einspurigen Landstraßen von 90 auf 80 km/h gesenkt, um die Zahl der Unfälle zu senken. Ganz anders derweil die Entwicklung in Österreich: Dort plant die Regierung, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen von 130 auf 140 km/h erhöhen. Kommentatoren sind sich einig, welchen Vorstoß sie unterstützen.
Gut für den Geldbeutel und die Gesundheit
So werden in Frankreich nicht nur die Straßen sicherer, lobt Julien Dubuis vom Verkehrsverein Ligue contre la violence routière in Le Monde:
„Die Geschwindigkeitsverringerung um 10 km/h senkt den Verbrauch eines Mittelklassebenziners pro 100 Kilometer um etwa 0,8 Liter, was einer Ersparnis von 1,20 Euro pro 100 Kilometer entspricht. … Vor allem aber reduziert ein niedrigerer Treibstoffverbrauch die Luftverschmutzung. Diese verursacht in Frankreich jährlich zahlreiche Atemwegserkrankungen und circa 50.000 vorzeitige Todesfälle. Wenn wir die Luftverschmutzung dadurch, dass alle ein wenig den Fuß vom Gas nehmen, auch nur um ein Prozent verringern könnten, würden wir dadurch rund 500 Leben pro Jahr retten! … Zudem wirkt sich das Ganze noch auf das makroökonomische Gleichgewicht aus: Ein geringerer Treibstoffkonsum reduziert die Erdöl-Importe und verbessert somit durchaus Frankreichs Außenhandelsbilanz.“
Das freut allein Raser und Drängler
Die österreichische Regierung ist auf dem falschen Dampfer, kritisiert Die Presse:
„Tempo 140 auf der Autobahn wird kein einziges Problem des modernen Autofahrers lösen. Es wird das Autofahren weder sicherer noch billiger machen. Theoretisch würde es eine Autofahrt zwar verkürzen, aber genau das ist der Punkt. Schneller fahren. Darum soll es gehen. Und das transportiert genau die falsche Einstellung. Das ist die Denke der Raser und Drängler. Das spricht den temperamentvollen Mustang-Fahrer an, der die Familienmutter vor ihm beschimpft, weil sie bei Dunkelgelb nicht rasch noch abgebogen ist - und dann demonstrativ mit 80 durch die 30er-Zone brettert, um zu zeigen, was er kann. Tempo 140 taugt dem Raser im Leasing-Audi, der so dicht auffährt, dass er dem Hund im Kombikofferraum vor ihm in die Augen sehen kann.“
Andere Länder gespannt auf Resultate
Le Quotidien glaubt, dass die Maßnahmen in Frankreich wegweisend für andere Länder sein könnten, und verweist auf den Erfolg der Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf der nach Luxemburg führenden französischen Autobahn A31:
„Die automatischen Radarfallen entlang der A31 dienen dazu, das Verlangen der größten Raser zu bremsen. Natürlich gibt es auf der A31 weiterhin Unfälle, sie sind aber weit weniger tragisch als früher. Die Entscheidung, auf Frankreichs Landstraßen das Tempolimit von 90 auf 80 km/h zu senken, wurde getroffen, weil die Zahl tödlicher Verkehrsunfälle nicht weiter zurückging. Es musste also eine drastische Maßnahme her, um Leben zu schützen. Die europäischen Länder, das Großherzogtum Luxemburg eingeschlossen, werden die Ergebnisse dieser Initiative mit Sicherheit genauestens verfolgen.“