Wie lange kann sich Merkel noch halten?
Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder abgewählt. Die Wahl gewann überraschend dessen bisheriger Stellvertreter Ralph Brinkhaus. Weil Kauder als einer der engsten Vertrauten von Angela Merkel gilt, wurde die Wahl nach dem parteiinternen Asylstreit und der Causa Maaßen als Stimmungstest für die Kanzlerin angesehen. Die sehen Kommentatoren nun als ernsthaft beschädigt an.
2019 wird zum Schicksalsjahr für die Kanzlerin
Večernji list spekuliert darüber, wie lange sich Angela Merkel noch im Amt halten kann:
„Es wurde geheim abgestimmt und das Resultat ist sicherlich eine Riesenohrfeige für Kanzlerin Merkel, da sie von ganzem Herzen die Wiederwahl Kauders befürwortete. Die größten deutschen Medien prognostizieren den 'sicheren Fall von Kanzlerin Merkel', da ihr die eigene Partei den Rücken zugekehrt habe. ... Man wird Merkel schwerlich vor der Wahl zum Europaparlament 2019 stürzen können. Sollten die Christdemokraten dort eine Niederlage erleben, wird es Merkel jedoch schwer haben, eine Meuterei in der eigenen Partei zu ersticken.“
Schlechte Nachrichten für Macron
Die zunehmenden Zweifel an der Fortdauer von Merkels Kanzlerschaft sind für Macron alles andere als erfreulich, kommentiert Le Figaro:
„Während ihrer zwölf Jahre im Kanzleramt wirkte die 'starke Frau Europas' nie so geschwächt, so machtlos. Sie steckt im Sumpf ihrer Koalition fest und wird innerhalb ihrer eigenen Partei bedroht. Die gesamte traditionelle politische Klasse ist durch den zunehmenden Zuspruch für die AfD gelähmt. ... Wird Angela Merkel die ihr verbleibenden drei Jahre noch durchhalten? Oder wird sie als Opfer einer Palastrevolution innerhalb der CDU fallen? Eines ist sicher: Für Emmanuel Macron sind dies keine guten Neuigkeiten. Denn all diejenigen, die die Kanzlerin derzeit in Bedrängnis bringen, sehen seine europäischen Zukunftsträume sehr kritisch.“
Der Countdown hat begonnen
Für den Politologen Ubaldo Villani-Lubelli entgleitet der Kanzlerin endgültig die Kontrolle über ihre Partei. Er schreibt in Huffington Post Italia:
„Eine scheinbar unbedeutende Wahl, die des Fraktionsvorsitzenden der Union (CDU/CSU), verwandelte sich in den Anfang vom Ende des Systems Merkel. Volker Kauder, der treueste Gefolgsmann der Kanzlerin und Fraktionschef seit dreizehn Jahren - noch einen Tag vor dem Amtsantritt der ersten Merkel-Regierung im Jahr 2005 übernahm er den Vorsitz -, wurde von seinem Stellvertreter Ralph Brinkhaus gestürzt. ... Die Wahl ist nicht nur eine Rebellion gegen den wenig geliebten Kauder, sondern eine Herausforderung Angela Merkels, die die Fraktion und ihre Partei (die CDU) nicht mehr kontrolliert und bisher viele Schwierigkeiten hatte, die prekäre Regierungskoalition zu lenken.“
In der Union brodelt es
Die Unzufriedenheit der CDU mit der Kanzlerin ist nicht mehr zu übersehen, erklärt das regierungsnahe Portal Origo:
„Die Wahl ist wichtig, weil Volker Kauder als Vertrauter der Kanzlerin Angela Merkel gilt und nun nach 13 Jahren seinen Posten räumen muss. Außerdem haben die Kreise, die gegen Angela Merkel opponieren, allein dadurch ein Signal gesendet, dass sie überhaupt einen Gegenkandidaten aufgestellt haben. Das hat es seit 1973 nicht mehr gegeben. Der Herausforderer war der wenig bekannte Ralph Brinkhaus. Bei der Wahl bekam Volker Kauder 112 Stimmen und Ralph Brinkhaus 125. Schon vor der Wahl war klar, dass das Ergebnis zeigen würde, ob die Partei mit Angela Merkel zufrieden ist oder nicht. Volker Kauders Abwahl zeigt darum ernstzunehmende Unzufriedenheit.“
Merkel muss jetzt den Aufstieg der AfD stoppen
Jetzt ist es an der Zeit, dass Angela Merkel ihrer Partei und ihrem Land einen wichtigen Dienst erweist, glaubt die Neue Zürcher Zeitung:
„Ihre oft als pragmatisch bezeichnete, in Wahrheit aber von der veröffentlichten Meinung mal hierhin, mal dorthin und zu oft nach links getriebene Politik hat eine Partei rechts von der Union gross werden lassen, die sich anschickt, die politische Kultur des Landes nachhaltig zu beschädigen. In den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird im Herbst 2019 gewählt werden. Wenn Merkel ihrer Partei erlaubt, sich vorher von ihr zu emanzipieren und neu zu positionieren, dann könnte die AfD auf ihrem Weg zur Volkspartei noch gestoppt werden. Es wäre ein mächtiges Zeichen der einstmals mächtigsten Frau der Welt.“