Parlamentswahl in Armenien: Sieg der Revolution?
Das Bündnis des im Mai zum Ministerpräsident gewählten Journalisten Nikol Paschinjan hat die Parlamentswahl in Armenien gewonnen - mit 70,2 Prozent der Stimmen bei lediglich 49 Prozent Wahlbeteiligung. Paschinjan war im Frühjahr einer der führenden Köpfe der Proteste unter anderem gegen Korruption. Vor welchen Herausforderungen er nun steht, erklären Journalisten.
Die alte Garde hat nichts mehr zu melden
Mit Paschinjans Wahlsieg stehen die Zeichen in Armenien weiter auf Aufbruch, kommentiert das linke Online-Portal Mérce:
„Das Wahlergebnis zeigt, dass nach der Revolution [vom Frühjahr] wirklich eine vollkommen neue Zeit in Armenien angebrochen ist. Das Kräfteverhältnis zwischen der alten Regierungspartei und den politischen Kräften der Revolution hat sich vollständig umgekehrt. ... Paschinjan hat eine Demokratisierung in großen Schritten und weitreichende Veränderungen in der Innenpolitik angekündigt. Aber er hat auch Waldimir Putin und der russischen Führung zugesichert, dass er an Armeniens russlandfreundlicher Politik nichts zu ändern wünscht.“
Nun braucht das Land Geduld
Die Süddeutsche Zeitung ist beeindruckt vom Wandel in Armenien:
„Der friedliche und deutliche Machtwechsel ist eine seltene Errungenschaft in einem Land der ehemaligen Sowjetunion, wo die Verfilzung von Politik und Wirtschaft zum klassischen Selbstverständnis gehört. Die Mühen der Ebene aber stehen Paschinjan erst bevor. Der Kaukasus-Staat muss sich neu erfinden, denn Korruption ist ein zähes, widerstandsfähiges Wesen, und sie etwas zurückzudrängen bedeutet noch nicht den Beginn wirtschaftlicher Blüte. Die Armenier müssen geduldig sein, bis im Land eine IT-Wirtschaft reift und der Tourismus boomt. Helfen könnte eine Annäherung an die EU, aber Russland wird dies nur in Grenzen zulassen. Um die Revolution zu stützen, braucht Armenien deshalb eine kluge außenpolitische Balance.“