Was treibt die Gelbwesten zu Gewalt?
Frankreichs Regierung will die Demonstrationsgesetze verschärfen, um härter gegen Gewalt bei Demonstrationen vorzugehen. Die neue Gesetzgebung könnte sich am Umgang mit Fußball-Hooligans orientieren. Am Samstag war es erneut zu Gewaltausbrüchen während der Gelbwesten-Proteste gekommen. Kommentatoren glauben nicht, dass es damit bald vorbei ist.
Der unwiderstehliche Drang zur Revolution
Was die Proteste weiter anfeuert, analysiert der Soziologe Marc Lazar in La Repubblica:
„Die Gelbwesten drücken einen sozialen Zorn aus, der sich seit Beginn der Präsidentschaft von Macron verschärft hat. ... Sie verleihen der immensen Angst wichtiger Teile der Gesellschaft Ausdruck - öffentliche und private Angestellte, Handwerker, Kleinunternehmer, Rentner, alleinerziehende Mütter, Frauen in prekären Situationen - verarmt, marginalisiert durch die Veränderungen, die sowohl ihre Arbeit als auch ihr Umfeld betreffen. Sie fühlen sich verlassen, verachtet und ohne Zukunftsaussichten. Hinzu kommt ein altes Grundelement der französischen Kultur: die Leidenschaft für Gleichheit, die Verachtung der Reichen, die Akzeptanz der Gewaltanwendung und die Idealisierung der Französischen Revolution. ... Sie vergleichen Emmanuel Macron mit Ludwig XVI. und seine Frau mit Marie-Antoinette.“
Sie wollen den Bruch mit dem Altbekannten
Auch der Kommunikationswissenschaftler Arnaud Benedetti erkennt in dem Protest eine fast schon revolutionäre Situation, wie er in Le Figaro schreibt:
„Bei den Gelbwesten geht es um diesen Moment des Bruchs, des Umschwungs, um dieses gewisse Etwas, das eine radikal neue Situation herbeiführt. Akteure und Kommentatoren schaffen es nicht, diesen Moment zu erfassen und zu verstehen, vor allem deshalb, weil er außerhalb unserer Bezugssysteme liegt. Das ist das, was eine Revolution ausmacht. Sie reißt nieder, sie bringt uns aus dem Konzept und erstaunt uns. Der Prozess, den wir seit ein paar Wochen erleben, ist von dieser Art: er ist quasi-revolutionär.“
Überforderte Regierungen können gefährlich werden
Der Kolumnist Cristian Unteanu befürchtet Proteste auch in anderen europäischen Staaten. Was ihn allerdings mehr beunruhigt, sind die Reaktionen der Regierungen darauf, wie er auf seinem Blog bei Adevărul schreibt:
„Die Ereignisse bedeuten nicht, dass Europa in Gewalt versinkt, sondern dass es lediglich Anzeichen dafür gibt, dass die aktuellen demokratischen Regierungen überholt scheinen, da ihr Regelwerk offenbar nicht mehr der heutigen Realität entspricht. ... Das spüren die Politiker, ihnen fällt aber nichts anderes ein, als sich in die Diktatur zu flüchten. In eine militärische oder eine populistische, die Mischung daraus brachte die Tragödien der beiden Weltkriege hervor. ... Die Bedrohung kommt diesmal aus dem Inneren und der demokratische Anstrich einiger unfähiger und von der Situation überforderter Regierungen scheint zu bröckeln.“