Nord Stream 2: US-Botschafter schreibt Drohbrief
Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hat deutschen Unternehmen in einem Brief mit Sanktionen gedroht, sollten sie auf ihre Beteiligung an der Gas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland nicht verzichten. Ein peinlicher Übergriff, eine Verzweiflungstat oder gar ein Schreiben, das das Blatt wenden könnte?
Peinliches Gepolter
Grenells Drohungen sind übergriffig, schimpfen die Stuttgarter Nachrichten:
„Niemand hat Richard Grenell, den Botschafter der USA, dazu berufen, Deutschland zu lenken. ... Zweifel mögen angebracht sein, wie sinnvoll es ist, dass Nord Stream 2 Deutschlands Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland nochmals erhöht. Zumal die Regierung Putin mit solchen Abhängigkeiten Druck und Politik macht. ... Ein Botschafter aber, der sich schon mal kurz mit seinem Gastland beschäftigt hätte, wüsste: All dies ist hier bekannt. Ebenso, wie wichtig es ist, der russischen Aggression gegen die Nachbarin Ukraine von Seiten der EU und der Nato geschlossen und fest entgegenzutreten. ... Umso peinlicher wirkt sein Gepolter.“
Berlin ist ungehorsam geworden
Als ein Zeichen der Schwäche der USA wertet Ria Nowosti den Brief:
„Das Schreiben Grenells ist ein Eingeständnis, dass die Deutschen auf etwas stolz sein können. Der Subtext ist eindeutig: Wir, die USA, können bei der deutschen Führung den Verzicht auf Nord Stream 2 nicht durchsetzen, man hört nicht auf uns, die gewohnten Methoden funktionieren nicht mehr. Deshalb müssen wir versuchen, auf das Business einzuwirken. Die Form eines offiziellen Botschafterbriefs ist zudem Beleg dafür, dass traditionelle und weniger formelle Instrumente der Einflussnahme wie Hintergrundgespräche sicherlich gemacht wurden, aber bei den deutschen Unternehmern keinen Erfolg hatten. In der Folge haben die Amerikaner zu direkten und groben Drohungen gegriffen.“
Die Deutschen fangen an zu zögern
Rzeczpospolita glaubt, dass Deutschland selbst nicht mehr überzeugt ist von Nord Stream 2:
„Grenells Warnung kann in Deutschland die wachsende Skepsis in Hinblick auf die Elf-Miliarden-Dollar-Investition verstärken. ... Im April letzten Jahres räumte Kanzlerin Merkel ein, dass das Projekt nicht nur eine wirtschaftliche, sondern eine geopolitische Dimension hat. Laut Bloomberg entschied Nils Schmid, SPD-Vertreter im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Ende letzten Jahres, dass Nord Stream 2 erst gestartet werden sollte, wenn die Ukraine und Russland ein neues Gastransportabkommen unterzeichnet haben. Bislang hatten die Sozialdemokraten den Bau von Nord Stream 2 absolut vorangetrieben.“