Schließt die EVP Orbáns Partei aus?
Am heutigen Mittwoch entscheidet die EVP-Fraktion im Europaparlament über einen Ausschluss von Orbáns Fidesz-Partei. 13 der 48 Mitgliedsverbände hatten diesen beantragt. Der ungarische Premier hatte EVP-interne Kritiker daraufhin als "nützliche Idioten" der Linken bezeichnet, wofür er sich per Brief vergangene Woche entschuldigte. Ob die Parteienfamilie tatsächlich ultimative Konsequenzen zieht, ist unklar.
Geduld des Westens ist aufgebraucht
Lange konnte Viktor Orbán die europäischen Konservativen zum Narren halten, findet hvg:
„Aber jetzt hat die Fidesz-Story ein erheiternde Wende genommen, denn die europäischen Rechtskonservativen, Konservativen der Mitte, Christdemokraten und andere Konservative haben bemerkt, dass dort in der östlichen Senke eine unglaubliche Unverschämtheit wütet. ... Selbst im Westen springt man nicht beim ersten Wort auf, auch hier hat man schon jahrelang den Geruch verfaulter Eier ertragen, wenn sie gerade Saison hatten. Aber jetzt ist eine neue Ära angebrochen. Sie wollen den Fidesz im Schnee aussetzen, damit er sich ein bisschen abkühlt.“
Grundwerte werden taktischen Spielchen geopfert
Orbán wird seinen Kopf mal wieder aus der Schlinge ziehen, glaubt Delo:
„Unter Druck und der Drohung, ausgeschlossen zu werden, war Orbán bereit, einige Schritte zu tun, die andeuten sollten, dass er versöhnlicher ist, als man denkt. Doch seine Konzessionen waren nicht ernst gemeint, sondern sie waren vor allem taktisch. Dies könnte zur Folge haben, dass die Fidesz-Partei heute nicht ausgeschlossen wird, sondern unter einigen Bedingungen, die irgendwann nach der Europawahl erfüllt sein müssen, nur suspendiert wird. Zu diesem Zeitpunkt werden der Druck bereits nachgelassen und Orbán mehr Spielraum zur Verfügung haben. Die so sehr besungenen europäischen Werte, der Grundstein der EU, werden wieder einmal Opfer politischer Spielchen.“
EVP kann sich Rauswurf nicht leisten
Auch der Politologe Steven van Hecke glaubt nicht daran, dass die EVP diesmal ernsthafte Konsequenzen zieht, wie er in De Standaard erklärt:
„Die Zeit, in der die Macht der EVP groß genug war und niemand sich scherte, ob sie einen Regierungschef mehr oder weniger hatte, ist vorbei. Das gilt umso mehr, da nun die Gefahr besteht, dass Orbán eine alternative politische Allianz schmiedet, die für eine Reihe von anderen EVP-Mitgliedsparteien in Mittel- und Osteuropa attraktiv ist. Die Stille bei der CDU/CSU, dem Machtblock im Zentrum der EVP, ist bezeichnend. ... Die EVP hat genügend Mechanismen zur Verfügung, um interne Konflikte zu schlichten und einen Gesichtsverlust, so weit es geht, zu vermeiden.“
Genug ist genug
Orbáns Entschuldigungsbrief ist eine Unverschämtheit, schimpft die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„[Er] dient offenbar dem Ziel, der anderen Seite die Schuld am Bruch in die Schuhe zu schieben. Orbáns Haarspalterei, er habe nicht 'bestimmte Politiker', sondern eine 'bestimmte Politik' gemeint, als er seine Kritiker in der eigenen Parteienfamilie mit einem Lenin-Zitat als 'nützliche Idioten' bezeichnet hat, ist ein Fall für das politische Kabarett. ... Die EVP sollte sich Orbáns Flegeleien und seine Grenzüberschreitungen in der Sache nicht länger bieten lassen - zumal Orbán durch Auslassung deutlich macht, dass er sein Verhalten nicht ändern wird. Den eigentlichen Anlass des Streits erwähnt er nämlich mit keinem Wort.“
Kampagne geht einfach weiter
Zwar hat die ungarische Regierung versprochen, die Plakatkampagne gegen George Soros und Jean-Claude Juncker zu beenden, aber davon kann keine Rede sein, bemerkt die linke Wochenzeitung hvg:
„Die Soros-Juncker-Plakate wurden zum Teil abgenommen, aber vollkommen identische Anzeigen sind weiter auf rechten Internetplattformen, in Zeitungen und im Fernsehen zu sehen. Hier und da landen sie auf Flugblättern in Briefkästen, und ihr Text wird bei unzähligen Radiosendern vorgelesen. Von unseren Lesern wissen wir, dass auch noch einige Riesenplakate hängen, allerdings inzwischen nur noch auf dem Land. Die Kampagne ist also weiter in vollem Gang. Es ist ein kindlich einfacher Trick: Natürlich kontrolliert die EU-Kommission oder die deutsche Presse so etwas nicht, denken sie. Und die ungarische Rechte lacht sich ins Fäustchen. Finanziert wird das ganze aus dem Staatshaushalt.“