Finales Urteil gegen Kriegsverbrecher Karadžić
Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat den ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit erhöhten die Richter das Urteil der Vorinstanz, das 40 Jahre Haft vorgesehen hatte. Karadžić wurde unter anderem wegen des Völkermords von Srebrenica schuldig gesprochen. Wie wirkt sich das Urteil auf die Gegenwart auf dem Balkan aus?
Klare Botschaft an nationalistische Fanatiker
Das zweite Urteil gegen Karadžić setzt ein sehr wichtiges Zeichen, glaubt Večer:
„Die Überlebenden von Srebrenica haben zumindest eine Art Genugtuung erhalten. Die Verurteilung des ehemaligen bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić zu lebenslanger Haft wird die 8372 getöteten Menschen des größten Genozids auf europäischem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückbringen. Doch hat das Urteil, drei Jahre nach der Verurteilung Karadžićs zu nur 40 Jahren Haft, eine klare Botschaft an all diejenigen gesandt, die noch immer von einem Großserbien, einem Großkroatien oder irgendeinem durch Blutvergießen entstandenen Ein-Nationenstaat auf dem Balkan träumen: Verbrechen werden bestraft.“
Richterspruch ändert nichts an der Gegenwart
Dass das Urteil in Karadžićs alter Heimat politisch nichts verändern wird, befürchtet die Neue Zürcher Zeitung:
„Seit bald zwei Jahrzehnten ist Milorad Dodik die prägende Figur in der Republika Srpska. Er war 1998 als erklärter Gegner von Karadzic angetreten, der sich versteckt hielt. ... Später änderte Dodik den Kurs. Er hatte gemerkt, dass es sich am einfachsten regiert, wenn die ethnischen Spannungen am Köcheln gehalten werden. Die Verurteilung Karadzics wäre der Moment für Dodik, zu den Anfängen zurückzukehren. Er könnte sagen: 'Karadzic ist ein Verbrecher, wir übernehmen die Verantwortung dafür, dass dies nicht mehr geschieht. Und jetzt schauen wir nach vorn.' Er gewänne unzählige Herzen bei den Bosniaken und Kroaten - und würde nur wenige bei den Serben verlieren. Nun, Dodik wird das nicht tun.“
Diese Urteile schrecken niemanden ab
Dass die bisherige Bilanz Internationaler Strafgerichte zwiespältig ist, gibt Die Welt zu bedenken:
„Ja, es ist wichtig und richtig, Monster wie Karadžić vor Gericht zu stellen. Das schafft Gerechtigkeit für die Opfer und deren Angehörige. Und es zwingt die Gesellschaften, von denen diese Verbrechen ausgehen, in den Abgrund der Niedertracht zu schauen, der aus ihrer Mitte hervorging. ... Und Urteile wie das gegen Karadžić wirken auch durchaus in unsere Gegenwart hinein. Zumindest geben sie anderen Opfern von eklatanten Kriegsverbrechen oder deren Hinterbliebenen die Hoffnung, dass sich auch ihre Peiniger irgendwann vor Gericht verantworten müssen. Eine Erwartung hat sich jedoch nicht erfüllt. ... Wenn Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden, soll das andere davon abhalten, Ähnliches zu tun. Diese Abschreckungswirkung ist auf internationaler Ebene jedoch weitgehend ausgeblieben.“