Niederlande: Der jüngste Rechtsruck im Fokus
Nach dem Wahlsieg des Forum voor Democratie (FVD) von Thierry Baudet suchen die etablierten konservativen Parteien in den Niederlanden nach einer Strategie, Wähler zurückzugewinnen. Die erst 2016 gegründete rechtspopulistische Partei war bei den Provinzwahlen Mitte März auf Anhieb stärkste Kraft geworden. Kommentatoren verfolgen diese Entwicklungen mit Sorge.
Baudet bedient mehr Themen als Wilders
Mit der Agenda von Wahlsieger Thierry Baudet beschäftigt sich der niederländische Politologe Eelco Harteveld im Interview mit Index:
„Im Gegensatz zu [dem in der niederländischen Politik bereits länger etablierten Rechtspopulisten] Wilders, der immer nur von der Bedrohung durch den Islam schwafelt - alles andere ist für ihn nur Beilage - bewegt sich Baudet auf einer viel größeren Skala. Auch er mag den Islam nicht, doch er hat noch eine andere Agenda: Austritt aus der EU, Widerstand gegen die Macht der Eliten, mehr direkte Demokratie durch Volksabstimmungen, Kampf gegen die degenerierte moderne Kultur - diese Themen haben bei ihm mindestens das gleiche Gewicht. Außerdem hat er ein eigenes Thema gesetzt, als er anzweifelte, dass der Klimawandel wirklich von den Menschen verursacht wird. Anders gesagt: Baudet wendet sich an eine breitere und heterogenere Wählerschaft.“
Nicht vor den wütenden weißen Männern buckeln
Volkskrant-Kolumnistin und Philosophin Marjan Slob fürchtet, dass die etablierten Parteien der Wählerschaft der Rechtspopulisten auf unkritische Weise gerecht werden wollen:
„Wut ist noch lange kein Freibrief. Auch wütende weiße Männer müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Weltsicht möglicherweise nichts taugt. ... Ich selbst bin nicht so wütend. Ich habe vielmehr Angst. Angst vor Politikern, die sich demütig verbeugen vor der Wut von schnaubenden weißen Männern und diese Wut so nebenbei für ihre eigene Agenda vereinnahmen. Solche Politiker reagieren nur auf Kraft und Lautstärke. Sie wollen Nutznießer der Schreihälse sein. Dabei vergessen sie, dass es ihre vorrangige Aufgabe ist, die Gesellschaft gerade vor diesen Rüpeln zu schützen.“
Gefährliches Spiel mit Ressentiments
De Volkskrant hofft, dass die traditionellen Parteien nun einen kühlen Kopf bewahren und zusammenstehen:
„Sehr beunruhigend ist Baudets gefährliches Spiel mit den Stimmungen seiner Anhänger. Von der geschmacklosen Art, wie er den Anschlag von Utrecht auf das Konto einer gesamten Bevölkerungsgruppe schrieb, bis zu seiner xenophoben Siegesrede Mittwochabend und seiner aufhetzenden Attacke gegen Journalisten, Universitäten, Künstler und Architekten, 'die unsere Kultur untergraben'. Da spricht jemand, der Raum für seine Meinung einfordert, aber nicht mit der Meinung anderer umgehen kann. Darin kann Baudet nicht hart genug bekämpft werden.“
Populismus ist nur schwer beizukommen
Ein Zeichen dafür, dass sich der Populismus in Europa weiter ausbreitet, sieht NRC Handelsblad:
„Die 'etablierten' Parteien sind konfrontiert mit dem x-ten Weckruf der unzufriedenen Wählerschaft. ... Die Antwort, die die klassischen Parteien schon seit dem Aufkommen von [dem Rechtspopulisten] Pim Fortuyn 2002 auf die Bewegung der großen Unzufriedenheit suchen, ist offensichtlich noch immer nicht gefunden worden. Das wundert nicht, denn diese Antwort ist auch nicht so einfach.“