Selenskyj fordert Poroschenko zum Duell heraus
Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Selenskyj will im Kiewer Olympiastadion gegen Amtsinhaber Poroschenko zum TV-Duell antreten. In einer Videobotschaft forderte der Gewinner der ersten Wahlrunde seinen Gegner heraus. Poroschenko stimmte zu - ebenfalls per Videobotschaft. Gerät der Wahlkampf nun zur Show und wer hat dabei die besseren Karten?
Komiker stiehlt dem Präsidenten die Show
Es gewinnt nicht der Kandidat mit dem besseren Programm, sondern der mit der besseren Show, meint Konstantin Muntjan in Ukrajinska Prawda:
„Die Serie 'Diener des Volkes', die die Geschichte eines Lehrers erzählt, der Präsident wurde, wurde im polnischen Fernsehen gezeigt. Auch das estnische und das kasachische Fernsehen haben die Serie gekauft. Die Washington Post, die Deutsche Welle und eine Reihe anderer Medien berichteten über die Serie. ... So zeigt der Sieg des Komikers über den amtierenden Präsidenten in der ersten Runde mit einem doppelten Vorsprung und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Selenskyj in der zweiten Runde scheitert, dass ein neues Format erfunden wurde: Electainment. Eine Mischung aus elections und entertainment, ein neuer Trend, ein Wahlprozess im Unterhaltungsformat.“
Die Puppenspieler warten schon
Selenskyj ist politisch unerfahren und könnte leicht zur Marionette seines Förderers, des Oligarchen Igor Kolomojskyj, werden, warnt news.bg:
„Selenskyj weiß offenbar nicht, was er will. Dafür weiß er aber, wie er es erreicht. Das macht ihn zu einem typischen Anti-System-Kandidaten, der seinen Wahlerfolg den Protestwählern zu verdanken hat, ähnlich wie Bulgariens Präsident Rumen Radew, der völlig unverhofft zum Präsidenten wurde, dank der Sozialistischen Partei und Gerb, die es so einfädelten. Er wurde zur Spielfigur der ihn umgebenden Berater. ... Man kann davon ausgehen, dass es auch Selenskyj so ergehen wird und die Macht in den Händen einer grauen Eminenz (Kolomojskyj) landet.“
Mit Witzen gegen Argumente
Der Komiker wird es nicht leicht haben, glaubt Delfi:
„Die originelle Idee von der Debatte im Olympiastadion in Kiew kam von Selenskyj, doch dies könnte ihm nun gefährlich werden. Poroschenko hat mehr Informationen über die Situation im Staat und ist ein erfahrener Politiker. Es wird nicht einfach sein, die ernsten Argumente mit Witzen abzuwehren. ... Es ist davon auszugehen, dass Poroschenko Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj darstellen wird, aber diese Anschuldigungen hat Selenskyj schon früher abgewiesen. Und Korruption kann man ihm nicht vorwerfen, denn er konnte nichts aus dem Staatshaushalt stehlen, er war nie an der Macht. Er ist mehr Schauspieler und Entertainer als Politiker, aber er selbst betont, dass Ronald Reagan, der auch ein Schauspieler war, den Kalten Krieg gewonnen hatte.“
Zum Anpfiff steht es 1:1
Beeindruckt von Selenskyjs Kühnheit und Poroschenkos Mut zeigt sich Echo Moskwy:
„Selenskyjs Berechnung war, dass Poroschenko kneift. Dass er Angst bekommt, wenn sich im Stadion 70.000 Anhänger des Schauspielers versammeln, die Poroschenko auspfeifen, ausbuhen und verspotten. Doch Poroschenko hat zugestimmt und die Herausforderung angenommen, was die Lage grundlegend ändert. Erstens, hat hier niemand Angst gezeigt, so dass es schon mal 1:1 steht. Zweitens wird das wohl wirklich eine Debatte und keine Show. ... Und das wichtigste ist, dass Selenskyj keinen Knopf im Ohr haben wird, über den ihm sein Stab einflüstert, was er sagen soll, sondern er muss selbst reden. Was bedeutet, er kann diese Debatte entweder im Jubel des Stadions gewinnen oder in dessen Spott untergehen. Ein gefährliches Spiel.“
Stadion ist perfekte Bühne für Selenskyj
Politikexpertin Switlana Tschunichina glaubt in Fokus, dass der Ort des Duells dem Showstar Selenskyj Vorteile verschafft:
„In einem klassischen TV-Duell hätte Selenskyj mit großer Wahrscheinlichkeit kaum Chancen auf einen Sieg. Deshalb war die Idee, seinen Gegner zu einer Debatte im Olympiastadion aufzufordern, ein guter Schachzug. Denn das Stadion ist ein Ort, an dem es üblich ist, Emotionen anzuheizen, statt durch Argumente zu überzeugen oder mit Kompetenz zu beeindrucken. ... Für einen Schauspieler ist das ideal. Ein konventioneller Politiker hingegen kann sich an einem solchen Ort verlieren, seine Ausdruckskraft wird einfach nicht ausreichen.“
Debatte könnte ins Wasser fallen
Organisatorisches Kleinklein könnte am Ende dafür sorgen, dass die Debatte gar nicht zustande kommt, merkt Gazeta Wyborcza an:
„Der Komiker Selenskyj fordert, dass die Debatte im Olympiastadion in Kiew stattfinden soll, wo im Jahr 2012 die Fußball-Europameisterschaft gespielt wurde. ... Das öffentlich-rechtliche Fernsehen könnte sie wahrscheinlich dort organisieren, doch der hohe Mietpreis wäre ein Problem. Die Kandidaten haben natürlich das Recht, sich vor den Kameras zu treffen und zu diskutieren, wo und wann sie wollen, und das dann selbst aus ihren Wahlkassen zu finanzieren. Dann würde das Duell im Stadion jedoch als Wahlkampf zählen und nicht als offizielle TV-Debatte. ... Deshalb ist bislang nicht klar, ob es wirklich eine Debatte geben wird, die den Interessen der Wähler dient.“