EU-Kommissionsvorsitz: Hat Weber schlechte Karten?
Manfred Weber hofft darauf, dass er zum Kommissionspräsidenten gewählt wird. Er ist Spitzenkandidat der EVP, und die dürfte stärkste Kraft im neuen EU-Parlament werden. Frankreichs Präsident Macron und einige Regierungschefs rütteln nun jedoch an dem Prinzip der Spitzenkandidaten und wollen sich die Nominierung selbst vorbehalten. Kommentatoren beschreiben einen Postenpoker mit ungewissem Ausgang.
Merkels Landsmann hat doppelt Pech
Der Tagesspiegel hält es für zunehmend unwahrscheinlich, dass Weber zum Kommissionspräsidenten gewählt wird:
„Wie viele andere Staats- und Regierungschefs fremdelt [Macron] mit der Idee der 'Spitzenkandidaten' bei der Wahl zum Europäischen Parlament. Sie möchten sich das Recht nicht nehmen lassen, als Kommissionspräsidenten eine Frau oder einen Mann aus ihren Kreisen zu nominieren. Jemand, der Erfahrung in der Exekutive hat. Der weiß, wie man regiert. Manfred Weber hat diese Erfahrung nicht. ... Und dann ist da eben noch der Sympathiefaktor. Angela Merkels europäischer Einfluss ist als Folge des deutschen Dauerzögerns bei allen Reformvorstellungen zerbröselt. Bei der jüngsten Klima-Initiative hatte man die Deutschen vorher schon gar nicht mehr gefragt. Also doppeltes Pech für den sympathischen Manfred Weber.“
Noch eine Blockade kann die EU nicht gebrauchen
Ob Macron und der niederländische Premier Rutte gemeinsam die Wahl von Weber verhindern können, fragt sich Jutarnji list:
„In der Europäischen Union passiert, falls Frankreich und die Niederlande dies nicht wollen, meist auch nichts. Sollten sie also auf ihrem Standpunkt beharren, kann man jetzt schon sagen, dass Manfred Weber nicht Präsident der Europäischen Kommission wird. Auf der anderen Seite wird es für Macron und Rutte nicht leicht werden, sich gegen die Deutschen und andere Staaten sowie das Europäische Parlament durchzusetzen. Sollte die Wahl des Kommissionspräsidenten der Mehrheit im EU-Parlament nicht schmecken, kann dies zu einer institutionellen Blockade führen. ... Das ist das Letzte, was die EU braucht, da sie ohnehin schon mit großen Spaltungen konfrontiert ist.“
Für Macron ist allein Barnier der Richtige
Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier hat am Sonntag in einem Interview mit Le Journal Du Dimanche gesagt, Europa nützlich sein zu wollen. Der Franzose gehört zwar offiziell zur EVP, doch wird er in Brüsseler Kreisen als Juncker-Nachfolger diskutiert und insbesondere von Macrons Partei LREM offenbar bevorzugt. Seine Chancen stehen nicht schlecht, glaubt Le Quotidien:
„Michel Barnier träumt davon, die EU-Kommission zu leiten. Und Emmanuel Macron betrachtet ihn als den richtigen Mann. Ihn und keinen anderen wie beispielsweise den von Barniers europäischer politischer Familie (der EVP) gekürten Spitzenkandidaten, den Deutschen Manfred Weber. Obwohl dieser Angela Merkels Unterstützung genießt, bleibt er außerhalb des Europaparlaments ein Unbekannter. Das Prinzip des Spitzenkandidaten ist laut Élysée-Palast jedoch kein Automatismus.“