Estland: Diplomaten in Erklärungsnot?
Matti Maasikas, estnischer Spitzendiplomat und neuer EU-Botschafter in der Ukraine, hat vergangene Woche auf Twitter den außenpolitischen Kurs der neuen Tallinner Regierung hinterfragt und verwies auf Schwierigkeiten estnischer Diplomaten, die Politik der konservativ-rechtsextremen Koalition zu erklären. Das rechtsextreme Lager reagierte mit einem Shitstorm, in estnischen Medien erhält Maasikas Rückendeckung.
Regierung muss ihre Zunge hüten
Der ehemalige Diplomat Jaak Jõerüüt nimmt in Postimees seine Kollegen in Schutz:
„Ich war mehr als 20 Jahre im diplomatischen Dienst, meist als Botschafter, und weiß sehr gut, welche Fragen Diplomaten gestellt werden. Die Fragenden - Politiker, Beamte, Journalisten, Analysten, Geschäftsleute, Investoren - sind alles andere als dumm, man kann ihnen keine Lügen erzählen. ... Unseren Diplomaten ist es schon lange nicht mehr möglich, die Statements einiger Regierungsmitglieder - schmutzig, grob und unter dem Niveau jeglicher intelligenten Politik - in eine angemessene Form zu bringen. Dass dabei Schaden für den Staat entsteht, liegt nicht an den Beamten, sondern an der unvorsichtigen Wortwahl der Regierung.“
Was zählt, ist Verlässlichkeit
Estland sollte sich davor hüten, die internationalen Partner zu verprellen, fordert Kaarel Tarand, Chefredakteur von Sirp:
„Wie Estland auf der Weltbühne dasteht und welchen Einfluss es hat, hängt wenig davon ab, wer was zur internationalen Presse sagt oder wer wen zum Rücktritt aufruft. Was zählt, wäre, mit wem man in Entscheidungsgremien Lösungen sucht und auf welchen Knopf man bei Abstimmungen drückt. Was zählt, ist, ob Freunde dich verstehen und sich bei grundsätzlichen Fragen auf deine Kohärenz verlassen können.“