Estland: Koalition mit Rechtsextremen steht
In Estland haben die Zentrumspartei von Premier Jüri Ratas, die nationalistische Ekre und die konservative Partei Isamaa den Koalitionsvertrag unterzeichnet. Eine große Koalition mit der Reformpartei, die die Wahl gewonnen hatte, hatte Ratas abgelehnt. Dass er sich nun die Rechtsextremen ins Boot geholt hat, verstimmt einige Kommentatoren. Andere betonen die Widersprüche dieser Koalition.
Bündnis auf tönernen Füßen
Die Parteiführungen gehen mit der Koalition ein großes Risiko ein, meint Keskisuomalainen:
„Auch wenn die Bildung der konservativen Regierung klar scheint, so sind ihre Aussichten unsicher. Die Zentrumspartei und Ekre sind politisch voneinander so weit entfernt, dass die Zusammenarbeit der beiden nur mit großen Zugeständnissen möglich ist. So wirft die Beteiligung der Zentrumspartei an der Koalition vor allem Fragen bei der russischen Minderheit auf. Ekre wiederum musste schon in den Verhandlungen beispielsweise die Verschärfung des Abtreibungsrechts aufgeben. Auch wenn die Kompromisse den Parteiführungen keine Probleme bereiten, können die Anhänger doch anderer Meinung sein. Aktuellen Meinungsumfragen zufolge hat die Zentrumspartei während der Koalitionsverhandlungen ein Viertel der Stimmen eingebüßt. “
An Ekres Ausrichtung gibt es keinen Zweifel
Womit es Estland demnächst zu tun hat, erklärt der Politologe Andres Kasekamp in Eesti Päevaleht:
„Ekre ist zweifellos eine rechtsradikale Partei. Nationalismus, Führerkult und Populismus - all diese Bedingungen sind erfüllt. Die rechtsradikalen Parteien selbst wehren sich immer gegen diese Bezeichnung und versuchen die traditionellen Parteien als 'Extremliberale' darzustellen. ... Im 20. Jahrhundert waren die politischen Spaltungen materieller Art (Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber). Jetzt stehen postmaterialistische Werte an erster Stelle, besonders die Angst, die Identität zu verlieren in der globalisierten Welt. Die Bezeichnung rechtsextrem ist dabei etwas irreführend, denn die Wirtschaftspolitik solcher Parteien ist nicht wirklich rechts, sondern verspricht oft, den Wohlfahrtsstaat auszubauen.“