Kehrtwende in der spanischen Flüchtlingspolitik?

Vergangenen Sommer machte der neu gewählte spanische Premier Pedro Sánchez Schlagzeilen, weil er sich dafür einsetzte, die Aquarius mit hunderten Flüchtlingen an Bord in Spanien anlegen zu lassen. Nun sucht das Rettungsschiff Open Arms seit Tagen vergeblich einen sicheren Hafen für 121 Migranten - doch Sánchez verhält sich still. In Spanien wird das sehr unterschiedlich aufgenommen.

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ABC (ES) /

Regierung besinnt sich auf Realpolitik

Endlich hat Sánchez eingesehen, dass medienwirksame Spektakel nicht immer die beste Art sind, Politik zu machen, lobt ABC:

„Die für die Sánchez-Regierung typischen Propaganda-Auftritte sorgten im vergangenen Sommer dafür, dass mehr Flüchtlinge über das Meer gelockt wurden. Das Schweigen der geschäftsführenden Regierung in diesen Tagen zur 'Open Arms' - voll mit Menschen aus der Subsahara-Region und bislang ohne Ziel, genau wie damals die 'Aquarius' - zeigt die radikale Kehrtwende. Sánchez geht das Migrationsproblem jetzt mit Realismus an - ohne große Töne und ganz diskret, weil er zuvor Opfer seiner eigenen Demagogie wurde.“

eldiario.es (ES) /

Wendehals Sánchez

Scharfe Kritik formuliert hingegen Violeta Assiego in eldiario.es:

„Das Kapitel ist abgehakt, man will sich nicht mehr mit dem Schutz von Flüchtlingen brüsten. Jetzt will man sich nicht einmal mehr hinter die Vorschläge von anderen (Frankreich und Deutschland) stellen, um eine europäische Antwort auf das Migrationsdrama zu finden. ... Ich weiß nicht, ob Pedro Sánchez klar ist, dass er mit seiner Haltung zur 'Open Arms' ein Zitat seines Buches umformulieren muss, das so schön klang: 'Das Leben von 630 Menschen gerettet zu haben, zeigt dass es sinnvoll ist, Politik zu machen.' Hoffentlich muss er den Satz nicht ersetzen durch: 'Hundert Leute im Stich gelassen zu haben und mich nicht um ihr Überleben zu scheren, zeigt dass es sinnvoll ist, die Politik über die Menschlichkeit zu stellen.'“