Gerüchte um Gefangenenaustausch Russland - Ukraine
Ein Kiewer Gericht hat Kirill Wyschinski, Leiter der Ukraine-Redaktion der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, nach 15 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Dies wird vielerorts als Hinweis auf einen bevorstehenden Gefangenenaustausch interpretiert, über den Russland und die Ukraine hinter den Kulissen schon einige Zeit verhandeln. Doch Medien beider Länder trauen dem Braten nicht.
Putin hat immer ein paar Geiseln auf Vorrat
Schriftsteller Viktor Schenderowitsch wirft Putin in einem Interview auf Echo Moskwy ein zynisches Kalkül vor:
„Putin hält für schlechte Zeiten Geiseln auf Vorrat. Sobald er etwas vom Westen haben will, zieht er sie hervor: So hat man Chodorkowski und Pussy Riot vor den Olympischen Spielen [2014 in Sotschi] freigelassen. Es gab die Gefahr eines Boykotts - und hoppla, 'Chodor' und die Mädels waren draußen. Und alle kamen zu Olympia. Als man mit ihm nicht mehr reden wollte wegen der Ukraine - hoppla: Syrien. Sprecht mit mir! … Wir haben uns ja alle gewundert, wie es kommt, dass der offizielle Westen die Polizeigewalt auf den Moskauer Straßen nicht bemerkt. ... Eben weil sich der Westen wegen der Chance auf diesen Austausch in Sachen Polizeigewalt selbst den Mund zugenäht hat.“
Verräter gegen politische Gefangene
Obosrewatel findet es problematisch, welche Gefangenen für den Austausch vorgesehen sind:
„Ehemalige ukrainische Militärs, die auf die russische Seite übergelaufen sind, finden sich auf der Liste. … So war der frühere ukrainische Soldat Oleksandr Baranov während der Annexion der Halbinsel wegen Hochverrats und Desertion auf der Krim zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Maxim Odintsov, ebenfalls ehemaliger Offizier der Ukraine, war wegen gleicher Verbrechen zu 14 Jahren verurteilt worden. Ebenfalls auf der Liste steht der ehemalige Berkut-Mann Alexander Sattarov, der in Kiew wegen Teilnahme an der sogenannten 'Selbstverteidigung' der Krim vor Gericht steht. … Verräter der Ukraine sollen gegen ukrainische politische Gefangene in Russland getauscht werden.“
Es gibt keine Blaupause
Radio Kommersant FM sieht auf dem Weg zu einem großen Austausch noch viele Stolpersteine:
„Jetzt käme nach der Logik der Dinge eine Geste guten Willens aus Moskau. Allerdings gibt es bislang noch jede Menge Unwägbarkeiten, vorrangig bürokratische. ... Wie soll man etwa mit den ukrainischen Seeleuten umgehen? Auf Basis welchen Gesetzes kann man sie Kiew übergeben? Schließlich gab es noch nie Beispiele eines solchen Austauschs. ... Und dann noch die Politik: Die einen sägen an Selenskyjs Stuhl, andere wollen den Krieg nicht beenden ... Und wie erklärt man dem russischen Volk das Geschehen? Die Propaganda muss neu justiert werden, denn viele Jahre sprach man von Krieg und jetzt ist plötzlich Frieden oder er zeichnet sich zumindest ab.“