Erdoğan droht Europa mit Grenzöffnung
Griechische Behörden verzeichnen seit einigen Wochen einen deutlichen Anstieg der Zahl der Flüchtlinge, die auf den Inseln in der Ägäis ankommen. Der türkische Präsident Erdoğan hat nun gedroht, wieder mehr Menschen über das Mittelmeer flüchten zu lassen, wenn die EU ihn nicht bei seinem Vorhaben einer "Sicherheitszone" im Nordwesten Syriens unterstützt. Kann der Flüchtlingspakt mit Ankara gerettet werden?
Die EU ist erpressbar
Was hinter der Drohung Erdoğans steht, wieder mehr Flüchtinge nach Europa durchzulassen, erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Der türkische Präsident hat zwei Probleme: Die Bevölkerung steht den syrischen Kriegsflüchtlingen im Land nicht mehr so aufgeschlossen gegenüber wie noch vor ein paar Jahren; außerdem ist die türkische Wirtschaft im Niedergang. ... Einmal abgesehen von dem Zynismus, mit dem hier ein autoritärer Herrscher hunderttausende Menschen für politische Zwecke instrumentalisiert, zeigt der Vorgang wieder einmal, dass das vielgepriesene EU-Türkei-Abkommen nur ein Notbehelf ist. Die Europäer haben Erdoğan vor drei Jahren zum Schleusenwärter an ihrer Südgrenze gemacht und sich dann nicht mehr ernsthaft um das syrische Problem gekümmert. ... So macht man sich erpressbar.“
Athen und Ankara unter die Arme greifen
Um das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei zu retten, braucht es mindestens zwei Maßnahmen, erklärt die Neue Zürcher Zeitung:
„Den Griechen muss - notfalls mit sanftem Druck - administrative und personelle Unterstützung gewährt werden, damit sie die Asylverfahren in wenigen Monaten abschliessen können. Die Beispiele der Niederlande oder auch der Schweiz zeigen, dass dies möglich ist. Zudem müssen die Europäer der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise noch stärker unter die Arme greifen. Es liegt im Interesse der EU und wohl auch der meisten Geflüchteten, dass diese in der Nähe ihrer Heimat, also in der Türkei, bleiben können. An den entstehenden Kosten muss sich Europa beteiligen.“
Europa lässt Griechenland im Stich
Athen sollte die Hoffnungen begraben, dass die EU-Partner mehr Solidarität zeigen, rät Kathimerini:
„Bei den Entscheidungen in Europas Hauptstädten werden in erster Linie die politischen Kosten und die Bedrohung durch den Aufstieg populistischer und fremdenfeindlicher Kräfte einkalkuliert. ... Die Entscheidung der europäischen Führung ist klar, unabhängig von dem, was sie mit großen Worten erklärt: Das 'Problem' soll am Rande Europas, in den Ankunftsländern, gelöst werden. Der Rest der Mitgliedstaaten soll nur Gelder und Personal bereitstellen. Griechenland scheint in dieser Situation gefangen und es ist kein Ausweg in Sicht. Es gibt keine echte Lösung, sondern lediglich verwaltungstechnisch die Möglichkeit, neue Strukturen und immer mehr Aufnahme- und Unterkunftsplätze zu schaffen.“