EU-Kommission: Macrons Kandidatin fällt durch
Das Europaparlament hat die designierte französische EU-Kommissarin Sylvie Goulard nach einer zweiten Anhörung abgelehnt. Dabei machten die Abgeordneten Zweifel an Goulards Integrität geltend. In Frankreich stand diese wegen einer Affäre um Scheinbeschäftigung sowie einer mehrjährigen Beratertätigkeit für einen Privatinvestor seit längerem in der Kritik. Europas Kommentatoren vermuten noch andere Motive hinter dem Votum.
Aufmüpfiges Parlament droht EU zu lähmen
Das zähe Ringen um die Bestätigung der neuen EU-Kommission verheißt nichts Gutes, fürchtet Financial Times:
„Es fällt schwer, nicht politische Rache als Motiv hinter Goulards Ablehnung zu sehen. Nach dem Scheitern eines Sozialdemokraten und eines Konservativen waren nun die Liberalen an der Reihe, einen Schlag einstecken zu müssen. ... Diese Machtdemonstration eines Parlamentsausschusses unterstreicht die Schwierigkeiten, mit denen Ursula von der Leyen bei der Bildung parlamentarischer Koalitionen für die Gesetzesvorschläge der Kommission konfrontiert sein wird. Das im Mai neu gewählte und nun stärker aufgesplitterte EU-Parlament mag die öffentliche Meinung besser widerspiegeln. Es könnte sich aber als unberechenbarer erweisen und die Gestaltungskraft der EU schwächen. Das ist kein gutes Omen für Europas Ambitionen, eine politische Macht zu werden.“
Weber rächt sich an Macron
Die EU-Parlamentarier weisen Macron in die Schranken, interpretiert La Libre Belgique die Abfuhr für Goulard:
„Der französische Präsident bezahlt für die politische Demütigung, die er dem EU-Parlament durch das Sabotieren des Spitzenkandidatenprinzips bei der Wahl zum Kommissionsvorsitz zugefügt hat. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber, der im Juli abgelehnt worden war, hat es Macron mit gleicher Münze heimgezahlt, indem er sein ganzes Gewicht geltend gemacht hat, um Sylvie Goulard aus dem Weg zu räumen. Vor zwei Jahren herrschte Freude darüber, dass ein französischer Präsident voller Ambitionen für Europa auf dem Parkett erschien. Er sollte diesen Kurs beibehalten, sich aber davor hüten, zu denken, dass ihm alles zusteht, und sich daran erinnern, dass das Haus Europa ein Gemeinschaftseigentum ist.“
Hohe Ansprüche an Kommissare sind richtig
Das Veto als Rache Webers an Macron zu interpretieren, greift zu kurz, widerspricht die Süddeutsche Zeitung:
„Goulard beherrscht vier Fremdsprachen perfekt und sie kann in keiner überzeugend erklären, wieso sie 2017 wegen einer Affäre um Scheinbeschäftigung in ihrer Partei als Ministerin in Paris abtrat, aber die gleiche Causa trotz laufender Ermittlungen kein Hinderungsgrund für einen Job in Brüssel sein soll. Da sie für das Megaressort Binnenmarkt vorgesehen war, sind höchste Maßstäbe angemessen. Es ist richtig und wichtig, dass die Europaabgeordneten höhere Ansprüche an künftige EU-Kommissare stellen - und ebenso folgerichtig sollte die Höhe der Nebeneinkünfte für die EU-Parlamentarier begrenzt werden, wie die Grünen das fordern.“