Kanada-Wahl: Dämpfer für Trudeau?
Nach der Parlamentswahl in Kanada bleibt Justin Trudeau aller Voraussicht nach Premierminister. Die von ihm geführten Liberalen sind noch immer stärkste Partei, verloren aber ihre absolute Mehrheit. Die Kommentatoren haben bei ihrer Analyse des Wahlergebnisses häufig auch Donald Trump im Kopf.
Der Ton rauer geworden
Erleichtert über den Wahlsieg von Justin Trudeau ist El País:
„Auf einem Kontinent, wo populistische Reden besorgniserregend zunehmen, zeigt Trudeaus Sieg, dass heutige Politik nicht zwingend auf eine Form der Konfrontation hinauslaufen muss, bei der die Institutionen beschädigt und die Gegner permanent beleidigt werden. ... Sorgen macht aber der polarisierte Wahlkampf der beiden Parteien, mit Momenten höchster Spannung, in denen Trudeau empfohlen wurde, bei einer Wahlveranstaltung eine kugelsichere Weste zu tragen. ... Das müssen Kanadas Politiker jetzt ändern, denn dies ist genau die Stimmung, die radikale Populisten nutzen, um die Demokratie zu untergraben.“
Künftig wird das Regieren deutlich mühsamer
Dass Justin Trudeau Federn gelassen hat, betont Keskisuomalainen:
„ Trudeau wird eine Minderheitsregierung führen oder eine Koalition mit mehreren Parteien bilden müssen. Die Koalitionsverhandlungen dürften lang und schwierig werden. ... Als Wahlgewinner werden die Konservativen eine aggressive Oppositionspolitik betreiben. Trudeau profitiert davon, dass die Führung der Oppositionsparteien schwach ist. Aber sein Image ist durch persönliche Skandale sowie die Umweltpolitik, symbolisiert durch die Trans-Mountain-Ölpipeline, beschmutzt.“
Auf Normalmaß gestutzt
Sme begrüßt das Wahlergebnis als Normalisierung:
„Zu oft projizieren die Menschen all ihre Hoffnungen in die Politik und berücksichtigen nicht, welche Befugnisse der erfolgreiche Kandidat besitzt und was er in ein paar Jahren im Amt überhaupt tun kann - unabhängig von vorherigen Versprechungen. Dann kommen Ernüchterung, Enttäuschung und letztlich Leute wie Donald Trump. Jetzt hat die Realität Justin Trudeau eingeholt. Aus dem bisherigen Liebling der kanadischen Öffentlichkeit ist ein gewöhnlicher, relativ erfolgreicher Politiker geworden, der jedoch wie andere auch Fehler macht. ... Es ist gut, dass Trudeau die Wahl gewonnen hat, und es ist gut, dass er nicht länger der Superstar sein muss, ein kanadischer Exportartikel. Für die Politik ist es besser als eine Sinuskurve aus unerbittlichen Erwartungen und herzzerreißenden Enttäuschungen.“