Frankreich will Migration stärker kontrollieren
Frankreichs Regierung will die Migrationspolitik neu ausrichten. Geplant sind unter anderem Einwanderungsquoten für Fachkräfte, aber auch Verschärfungen für Asylbewerber bei Abschiebungen und der medizinischen Versorgung. Die meisten Kommentatoren sehen die Maßnahmen kritisch, doch es gibt auch Lob.
Quoten sind zukunftsweisend
Ein Quotensystem hält La Croix für sinnvoll:
„Die größte Herausforderung in Sachen Zuwanderung, mit der alle europäischen Länder konfrontiert sind, besteht darin, eine angemessene Organisation zu finden. Keine Regelung einzuführen, bedeutet, zum Erdulden verdammt zu sein. Wer Wirtschaftsmigranten durchdacht aufnehmen will, kommt schlecht ohne Bedarfsanalyse aus, also eine Quantifizierung. Eine gut organisierte Wirtschaftszuwanderung erlaubt insbesondere, dem Mangel an Arbeitskräften zu begegnen, der weiter zunehmen wird. … Langfristig wird der demografische Wandel Europas die Anwerbung von Arbeitern aus dem Ausland ohnehin immer notwendiger machen.“
Macron stärkt die Rechtsradikalen
El Periódico de Catalunya hingegen kritisiert die Pläne der Regierung:
„Offiziell soll damit Betrug verhindert werden, eigentlich geht es aber um die Stimmen der rechtsextremen Partei von Marine Le Pen bei den Regionalwahlen im kommenden März und vor allem bei der Präsidentschaftswahl 2022. ... Seit 1945 hat Frankreich hundertmal sein Einwanderungsgesetz geändert. Doch es hat das Problem nie in den Griff bekommen, denn Migrationsströme werden von externen Faktoren verursacht (Armut, Kriege, etc.). Macron hat Recht, wenn er sagt, dass 'die Linke das Problem jahrzehntelang ignoriert hat und die davon betroffenen unteren Schichten zu den Rechtsextremen abgewandert sind'. Aber Einschränkungen einzuführen, die denen von Le Pen sehr ähnlich sind, stärken den Rechtsextremismus genauso.“
Unschuldige werden bestraft
Ein Aspekt des Maßnahmenpakets zur Zuwanderung regt Libération ganz besonders auf:
„Die Verschärfung ist offenkundig. Symbolisiert wird sie durch eine neue, absolut schockierende Regelung: die Wartefrist von drei Monaten, die Asylbewerbern zugemutet wird, bevor sie Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Es ist verständlich, dass Missbrauch verstärkt zu bekämpfen ist, für den unter anderem Antragsteller aus Georgien und Albanien verantwortlich gemacht werden. Aber wie so oft werden unter solchen Umständen nicht allein die 'Medizintouristen' (deren Anzahl noch zu beziffern ist) bestraft, sondern die Gesamtheit der Asylbewerber, deren Rechte plötzlich beschnitten werden, obwohl sie sich keines Missbrauchs schuldig gemacht haben.“
Schäbiges Abschreckungskalkül
Es gibt drängendere Probleme in der Migrationspolitik, wie die Frankreich-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Nadja Pantel, mit Blick auf die Vorstädte von Paris schreibt:
„Entlang der Stadtautobahn, an den verarmten Rändern der Metropole, schlafen Tausende Asylbewerber in Zelten. Darunter sind Familien, sogar Babys. Hilfsorganisationen schätzen, dass zwei Drittel dieser Obdachlosen einen Asylantrag gestellt haben. ... [D]ie unwürdigen Zustände jedoch [sind] Teil des Abschreckungskalküls: Wenn wir die Flüchtenden schlecht genug behandeln, werden sie irgendwann wegbleiben. Diese Rechnung aber geht nun seit Jahren nicht auf - und wird von Kindern bezahlt, die im beginnenden Winter ohne Schutz in der Gosse leben müssen.“