Bezirkswahl in Hongkong: Ohrfeige für Peking?
Die Protestbewegung in Hongkong hat bei der Regionalwahl Rückendeckung bekommen. Rund 90 Prozent der Sitze in den Bezirksräten gingen am Sonntag an die pro-demokratische Opposition. Die Wahlbeteiligung stieg von 47 auf 71 Prozent. Kommentatoren diskutieren mögliche Folgen des Wahltriumphes.
China bleibt am längeren Hebel
Dass Peking weiter über alles Wesentliche in Hongkong entscheiden wird, fürchtet Dennik N:
„Die gewählten Gemeinderäte befinden hauptsächlich über lokale Angelegenheiten. Einige ihrer Mitglieder werden zwar in der 1200 Mitglieder umfassenden Kommission für die Auswahl des Provinzverwalters sitzen, doch werden sie dort nicht einmal ein Zehntel der Stimmen haben. Die Regierung von Hongkong funktioniert nicht mehr demokratisch. Selbst wenn die verhasste Managerin Carrie Lam wegen Unfähigkeit entlassen würde, könnte Peking einsetzen, wen es wollte. Der neue Hausmeister könnte fähiger sein und einen Dialog besser vortäuschen als seine Vorgängerin, aber es bliebe immer nur ein Theater. Das Interesse der Machthaber Chinas, die Überreste der Demokratie in Hongkong zu zerstören, bliebe so groß wie zuvor.“
Zwei klare Botschaften
Die Wahl muss als Referendum für die demokratische Bewegung verstanden werden, erklärt Kolumnist Gianni Riotta in La Stampa:
„Am Sonntag stellten sich doppelt so viele Bürger in die Schlange, um zu wählen, wie 2015. Sie wissen, dass sie nur einen Bruchteil der 452 Ratsmitglieder wählen können, sie wissen, dass die Chinatreuen die Mehrheit in dem 1200 Mitglieder starken Komitee haben werden, das den Legislativrat wählt, die Kammer der ehemaligen britischen Kolonie. Doch sie lassen sich nicht entmutigen. Sie wollen zwei Botschaften senden. Die erste ist eine Botschaft der Solidarität an die Studenten, die seit Monaten die Einhaltung des Basic Law, des Grundgesetzes von Hongkong, fordern. Die zweite ist an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gerichtet. Er soll auf Regierungschefin Carrie Lam einwirken, den Kampf für die Bürgerrechte der Jugendlichen nicht blutig zu ersticken.“
Der Westen lässt David im Stich
Der Oppositionserfolg lässt den demokratischen Westen nicht gerade gut dastehen, urteilt der Tages-Anzeiger:
„Washington wie Brüssel, Berlin oder Bern haben die Demokratiebewegung in Hongkong bisher nur zögerlich, halbherzig und distanziert unterstützt, wenn überhaupt. Was für ein Kontrast zum Kalten Krieg, als sich der Westen mit Aufständischen im Machtbereich des kommunistischen Erzfeindes solidarisierte. Die Hongkonger Protestmärsche dagegen scheinen dem Westen ungelegen zu kommen. Offenbar will man mit den chinesischen Kommunisten weiterhin Geschäfte machen, und zwar ungestört. Die Euphorie in Hongkong ist deshalb trügerisch, der chinesische Goliath ist keineswegs besiegt. Und was den Westen betrifft, sind die Demonstranten gut beraten, nicht zu viel zu erwarten. David bleibt auf sich allein gestellt.“