Dreckige Abwässer: Skandale erschüttern Litauen
Erst kürzlich deckten litauische Ermittler auf, dass das Kartonage-Unternehmen Grigeo Klaipėda jahrelang ungereinigte Abwässer direkt ins Kurische Haff geleitet hat. Das weckt auch neuen Unmut darüber, dass das Vilniuser Wasserversorgungsunternehmen Vilniaus Vandenys schon seit Jahren unverarbeitete Plastikreste in den Fluss Neris fließen lässt. Verändern die Skandale etwas in Litauen?
Sensibilität für Umweltverbrechen steigt
Das Portal Delfi.lt erinnert sich, dass ein ähnlicher Skandal um die Vilniuser Wasserwerke weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt hatte:
„Damals hatten die Vertreter von Vilniaus Vandenys die Öffentlichkeit davon zu überzeugen versucht, dass in die Neris kein schmutziges Abwasser, sondern Schlamm fließt. Sie behaupteten, dieses Wasser stelle keine Bedrohung für die Natur oder die Menschen dar. Von Plastik wollten sie nichts hören. Heute ist die Reaktion allerdings völlig anders. ... Es ist gut, dass Veränderungen stattfinden.“
Soziale Verantwortung oft nur PR
Unternehmen behaupten oft nur, sozial und ökologisch verantwortungsbewusst zu handeln, beobachtet die Kommunikationsberaterin Marta Misiulaitytė auf dem Online-Portal der Wirtschaftszeitung Verslo žinios:
„Soziale Verantwortung wird nicht selten nur vorgetäuscht oder nur oberflächlich umgesetzt. Für die Verbraucher ist es daher schwierig zu erkennen, wann die Unternehmen ihre Tätigkeit in der Tat verantwortungsbewusst ausüben und wann sie ihre Sprache nur der derzeitigen Mode anpassen. ... Nehmen wir das Beispiel von Grigeo: Das Unternehmen behauptet, es übernehme 'Verantwortung für den Einfluss seiner Tätigkeit auf die soziale und ökonomische Welt, sowie auf die Natur'. Nach dem, was man heute weiß, klingt das alles absurd.“
Diese roten Karten tun richtig weh
Seit der Aufdeckung des Skandals wächst eine Boykott-Bewegung, freut sich Delfi:
„Die Wirtschaftsgemeinschaft hat von selbst, ohne von jemandem gezwungen zu werden, den Haff-Verschmutzern die rote Karte gezeigt. Der Beschluss von [den Supermarktketten] Iki, Norfa und Senukai, nichts mehr von Grigeo zu kaufen, war ein echtes Novum. Doch er war noch nicht mal der schmerzhafteste Stich. Fünf Möbelunternehmen, inklusive SBA baldų kompanija und Vilniaus baldai, die im Auftrag von Ikea produzieren, haben bis auf Weiteres die Ankäufe von Grigeo Klaipėda eingestellt. ... Der Fabrik droht die Produktion fürs Lager, was einem echten Krisenszenario entspricht. Und was werden die Käufer im Rest der EU noch sagen?“
Vogel-Strauß-Taktik der Beamten
Wie der Umweltskandal seit Jahrzehnten unter den Teppich gekehrt wurde, erläutert Lietuvos rytas:
„Für die Ermittlungen über die geheime illegale Röhre, über die Produktionsabfälle in das Haff und die Ostsee geflossen sind, wurden nicht die Umweltschutzbeamten aus Klaipėda, sondern aus [dem 170 Kilometer entfernten] Šiauliai zu Hilfe gezogen. Übrigens, auch die Ermittlungen wurden erst begonnen, als sich die örtliche Gemeinschaft nach jahrelangen Beschwerden wegen des Gestanks schlussendlich an die höchsten Instanzen in Vilnius wandte. … Die Beamten erklären hingegen, dass sie nicht nur nichts von der fast ein Jahrzehnt geschürten ökologischen Katastrophe geahnt haben, sondern sogar keine Möglichkeit hatten, um davon zu erfahren.“