Lohndumping: Hilft ein europäischer Mindestlohn?
Die Europäische Kommission hat am Dienstag erste Vorschläge zur Einführung eines europäischen Mindestlohns vorgelegt. Dänemark, Schweden und Finnland hatten zuvor bereits angekündigt, sich gegen einen solchen Mindestlohn auszusprechen, um ihre eigenen Modelle zu schützen; Dänemark führte vergangene Woche außerdem eine eigene Regelung für LKW-Fahrer ein. Europas Presse diskutiert das Vorhaben.
Überfällige Mindestanstandsgrenze
Krytyka Polityczna meint, der Mindestlohn sollte selbstverständlich sein:
„Dank einer solchen Regelung würden ungelernte Arbeitnehmer und Personen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, in der gesamten EU zumindest zu ähnlichen Bedingungen arbeiten. Obwohl sich die Wirtschaftsliberalen dagegen sträuben, ist das Projekt "Europäischer Mindestlohn" weder absurd noch radikal. Im Gegenteil, es ist ein absolutes Minimum, das schon vor langer Zeit hätte eingerichtet werden müssen. ... Es ist auch klar, dass die EU-Mindestlohnvorschriften einzelne Mitgliedstaaten nicht daran hindern würden, ein höheres Lohnniveau beizubehalten. Sie würden nur eine Mindestanstandsgrenze festlegen - einen Betrag, der allen Beschäftigten in Europa etwas mehr als nur die biologische Existenz ermöglicht.“
Doppelt sinnvoll
Auch das Handelsblatt begrüßt die Diskussion:
„Vor Einführung des deutschen Mindestlohns im Jahr 2015 mussten Schlachtbetriebe in Frankreich massenhaft schließen, weil sie gegen die extrem niedrigen Arbeitskosten der deutschen Konkurrenz nicht ankamen. Das Beispiel zeigt, wie der Wettbewerb verzerrt wird, wenn Mindestlöhne entweder gar nicht existieren oder im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes zu niedrig angesetzt werden. Eine europäische Untergrenze hat daher ökonomisch Sinn - und politisch sowieso. Zur Armut verdammte Menschen verlieren das Vertrauen in das politische Establishment, und davon profitieren populistische, antieuropäische Parteien.“
Gleichbehandlung ist nur fair
Lkw-Fahrer, die auf Dänemarks Straßen unterwegs sind, sollen künftig unabhängig von ihrem Wohnsitz nach dänischen Standards vergütet werden. Gwyn Nissen, Chefredakteur bei Der Nordschleswiger, findet das richtig:
„Das sind wir ihnen auf der einen Seite schuldig, auf der anderen aber auch der heimischen Transportbranche, die gegen Billigtarife aus Osteuropa nicht ankommt. Die Versuchung, mit billiger Arbeitskraft schnelles Geld zu verdienen - beziehungsweise Kosten zu sparen - ist in Dänemark groß. ... Doch, und das ist entscheidend dafür, ob dieses Modell Bestand haben kann, auch die Kontrollen werden verschärft. ... Das Argument, dass die ausländischen Handwerker und Lkw-Fahrer hier nicht wohnen, ist fehl am Platze. Wer in Dänemark arbeitet, soll auch ein dänisches Gehalt beziehen, damit er hier leben kann – und damit es keine Wettbewerbsverzerrung gibt. Das ist nur fair.“