Was bedeutet Salvinis Niederlage für Italien?
Die rechtsextreme Lega von Matteo Salvini konnte ihren Siegeszug durch die italienischen Regionalparlamente in der Emilia Romagna nicht fortsetzen: Bei den Regionalwahlen am Sonntag erhielt Stefano Bonaccini von der Mitte-Links-Koalition, die auch auf nationaler Ebene regiert, 51 Prozent der Stimmen. Ist Salvini jetzt am Ende? Europas Medien sind uneins.
Demokratie siegt
La Vanguardia findet in Salvinis Niederlage vor allem Grund zum Jubeln:
„Die Ergebnisse der Regionalwahlen in der Emilia-Romagna und Kalabrien sind entscheidend für die Stabilität der italienischen Regierung und wichtig für Europa. Ist der Aufstieg antieuropäischer, fremdenfeindlicher und ultranationalistischer Bewegungen unvermeidbar? In Italien lautet die Antwort, die erfreuliche Antwort: nein. Nein und nein. ... Italien im Besonderen und Europa im Allgemeinen verfügen über ausreichend Energie, gemäßigte Kräfte und demokratisches Erinnerungsvermögen, um in den Wahlurnen jene Parteien zu stoppen, die sich von den demokratischen Werten entfernen und stattdessen gerne die gesellschaftlichen Probleme verstärken, über Immigranten herziehen und gefährliche außenpolitische Kontakte pflegen wollen.“
Die Sterne sind verglüht
Die großen Verlierer in der Emilia-Romagna sind nicht Matteo Salvini und die rechte Lega, sondern die mitregierenden Cinque Stelle, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:
„Die von Beppe Grillo in Bologna gegründete Protestpartei hatte bei der Parlamentswahl 2018 in der Emilia-Romagna noch die meisten Stimmen geholt, doch am Sonntag wurde sie nun regelrecht dezimiert. Der letzte grosse Fehler des zurückgetretenen Chefs Luigi Di Maio war, dass er einen eigenen Kandidaten aufstellte, anstatt jenen der Sozialdemokraten zu unterstützen. Damit haben die Cinque Stelle nicht nur riskiert, Salvini zum Sieg zu verhelfen. Sie können nun auch keinen Anteil am Erfolg des Koalitionspartners beanspruchen und drohen innerhalb der Regierung weiter an Einfluss zu verlieren. Bei vielen intern umstrittenen Sachfragen dürfte der Partito Democratico künftig sehr viel selbstsicherer auftreten.“
Regierung in Rom ohne Wählergunst
Der Umstand, dass die Cinque Stelle die Wahlen so klar verloren haben, zeigt ein ernsthaftes Problem der repräsentativen Demokratie auf, warnt der Politologe Angelo Panebianco in Corriere della Sera:
„Die Partei, die bei den letzten nationalen Wahlen die relative Mehrheit der Sitze gewonnen hat und immer noch hält, erweist sich als Meteoriten-Partei, die immer weniger Unterstützung im Land hat. ... Das ist keine Voraussetzung, die eine solide und breite Unterstützung für die Arbeit der amtierenden Regierung gewährleisten kann. ... Eine derart starke Kluft zwischen der Stimmung im Land und der Regierung könnte langfristig auch dem Partito Democratico schaden. Sie ist sicherlich gut aus den Regionalwahlen hervorgegangen, aber sie ist immer noch in einer Regierung mit einem Mehrheitspartner, der nicht länger die Gunst der Wähler genießt.“
Überraschende Stabilität, aber...
Der Wahlausgang mag vorerst Stabilität bringen, auf lange Sicht scheint eine Salvini-Regierung dennoch wahrscheinlich, argumentiert The Times:
„Die Lega hat am Sonntag in Kalabrien gewonnen und führt die nationalen Umfragen an. ... Sie hat während ihrer kurzen Zeit an der Macht 2018 gelernt, dass nicht Brüssel, sondern die Märkte Italien einschränken. In der Tat hat die Lega alle Diskussionen um einen Eurozonen-Austritt eingestellt. Aber es bleibt bemerkenswert, dass die zwei großen Parteien nach solch einem turbulenten Jahrzehnt keinen Plan vorweisen können, um die wahren Probleme Italiens zu beseitigen: eine ineffiziente Bürokratie, ein langsames Justizsystem und – besonders im Süden – verbreitete Korruption. Bis dahin darf Italiens überraschende Stabilität nicht für selbstverständlich genommen werden.“
Großer Dank an die Sardinen
Der Partito Democratico konnte die Region letztlich nur Dank der Protestbewegung der Sardinen verteidigen, urteilt La Repubblica:
„All jenen zum Trotz, die sie in den letzten zwei Monaten verlacht haben (und sie spöttisch nach ihrem Programm und ihren politischen Rezepten gefragt haben), haben [Sardinen-Sprecher] Mattia Santori und die anderen Jungs der Bewegung das Volk wachgerüttelt und ihm Würde und Stolz zurückgegeben. Sie haben die Menschen aus ihren Häusern geholt, sie aufgerufen, zunächst auf die Straße und dann zur Wahl zu gehen. Die Linke muss ihnen danken. [PD-Chef] Zingaretti hat es getan, aufrichtig und bescheiden. Aber jetzt muss er ihnen auch und vor allem eine gemeinsame politische Heimat bieten.“
Hauptsache, die Leute gehen wählen
Für Corriere della Sera hat vor allem die hohe Wahlbeteiligung zu diesem Ergebnis beigetragen:
„Das Ergebnis wird vom enormen Anstieg der Wahlbeteiligung legitimiert. Es ist zu früh zu entscheiden, ob dies eine Folge von Salvinis hämmernder Kampagne ist, seines verzweifelten und frustrierten Versuches, die Abstimmung in ein Referendum über die Conte-Regierung in Rom zu verwandeln. Oder aber ob die hohe Wahlbeteiligung der Mobilisierung der Jugend durch die Sardinen von Mattia Santori zu verdanken ist, die gegen die Strategie der Lega Alarm schlugen. Sie ist in jedem Fall positiv, und die Anerkennung dafür geht an beide, unabhängig davon, wer gewonnen hat.“