Macron lädt zum Dialog über Atomwaffen
In einer Grundsatzrede zur Atomwaffen-Doktrin hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Bedeutung der nuklearen Abschreckung hervorgehoben. Dabei rief er die europäischen Partner zum strategischen Dialog und zur Teilnahme an französischen Militärübungen auf. Ob Paris mittelfristig Washington als Europas Sicherheitsgarant ablösen kann, bewerten Kommentatoren kontrovers.
Entweder Trump oder Macron
Die europäischen Staaten hätten gute Gründe, militärpolitisch von den USA auf Frankreich umzusatteln, glaubt der Präsident der Robert-Schuman-Stiftung, Jean-Dominique Giuliani, in Ouest-France:
„Werden sie endlich die dringende Notwendigkeit erfassen, schrittweise eine strategische Autonomie Europas aufzubauen, die unsere Bündnisse keineswegs verrät, unsere Interessen aber besser schützt? In naher Zukunft wird es in Europa keine andere Kontinentalmacht geben, die wie Frankreich durch Abschreckung fähig ist, zur Sicherheit des Kontinents beizutragen. Angesichts der zunehmenden Bedrohungen und der Destabilisierungen an seinen Grenzen braucht Europa die nukleare Dimension als ultimative Sicherheitsgarantie. Diesmal müssen die Europäer also entscheiden: Trump oder Macron?“
Frankreichs Arsenal ist vergleichsweise kümmerlich
Die Debatte, ob für die Europäer eines Tages der US-Schutzschirm durch einen französischen ersetzt werden könnte, hält der Tagesspiegel hingegen für verfehlt:
„Frankreich verfügt, wie Macron in seiner Rede darlegte, heute über weniger als 300 Nuklearsprengköpfe. Im Arsenal der USA befinden sich mehr als 6000 Sprengköpfe. Auch bei den konventionellen Waffen verfügen die USA über einen Bestand, der mit dem der beiden anderen 'echten' Supermächte Russland und China vergleichbar ist. Deshalb werden die Europäer auf absehbare Zeit militärisch auf die USA angewiesen bleiben. Macrons Vorschlag, mit interessierten EU-Partnern einen 'strategischen Dialog' über die Rolle der französischen nuklearen Abschreckung zu führen und gemeinsame Militärübungen in diesem Bereich abzuhalten, hat eher symbolischen Charakter.“