Macron will Rentenreform per Dekret
Nach ergebnislosen Verhandlungen in der Nationalversammlung will die französische Regierung ihre umstrittene Rentenreform nun per Verordnung durchsetzen. Ob Emmanuel Macron mit diesem von der Verfassung gedeckten Kniff die demokratischen Prinzipien aushebelt, diskutieren Kommentatoren.
Demokratie geht anders
Ernsthaft besorgt um die demokratischen Traditionen des Landes zeigt sich die Süddeutsche Zeitung:
„Erst demonstrieren die Reformgegner teils gewalttätig gegen den Rentenplan, ehe dessen Inhalt überhaupt bekannt ist. Dann will die Opposition das Gesetz mit Zehntausenden Änderungsanträgen kaputtmachen. Aus Freude am Schaden. Nun nutzt die Regierung einen Notparagrafen, um das Parlament auszubooten. Dass dieser Trick ein erprobtes Mittel der Fünften Republik ist, macht die Sache nicht besser. In Zeiten, in denen die Extreme erstarken, wirkt solch verfassungsmäßig legitimierter Autoritarismus besonders verheerend: Er befeuert eine Form der Auseinandersetzung, eine Aggressivität, in der sich die Gegner nicht mehr in demokratischem Geist begegnen. Das Ergebnis: Die Reform ist vermurkst, das Parlament geschwächt - Macron deswegen aber kein starker Präsident.“
Durchboxen ist noch lange kein Staatsstreich
Das Vorgehen ist durch den Verfassungsartikel 49.3 gedeckt und der Vorwurf des Autoritarismus überzogen, findet Libération:
„Die Debatte ist keineswegs beendet: Der Text geht an den Senat, wo es keine 49.3-Klausel gibt. … Dann kommt er wieder in die Nationalversammlung. Nach der 49.3-Prozedur geht die Debatte also weiter. Es gibt ein Durchboxen, aber keinen Staatsstreich. Nötige Änderungen wurden berücksichtigt, andere werden es noch. Das Gesetz wird präzisiert, vervollständigt, verbessert und angenommen werden. Die 49.3-Klausel wird funktioniert haben. Die parlamentarische Demokratie ist jedoch nicht in Gefahr. Emmanuel Macron hat zwar ein autoritäres Temperament und die Fünfte Republik stellt die Exekutive unbestreitbar über die Legislative, doch die Vorstellung vom Cäsarismus ist ein Irrglaube.“