Vom Urlaub zu Hause und dem Drang in die Ferne
Es ist Ferienzeit – doch viele Menschen verzichten auf weite Reisen. In Südeuropa steigen just nun, da die ersten Urlauber wieder kommen, vielerorts die Infektionszahlen. Kommentatoren beschreiben, wie die Tourismusbranche ums nackte Überleben kämpft und gleichzeitig die Hoffnung auf einen Neuanfang aufkeimt. Und sie attestieren der Sehnsucht nach der Ferne eine unbändige Kraft.
Ein bisschen Glanz im Wohnwagenpark
Die Sehnsucht nach Urlaub trotz Pandemie kann Philosophieprofessor Peter Strasser in der Neuen Zürcher Zeitung nachvollziehen:
„Passionierte Verfechter der 'Ferien im eigenen Land' sind heutzutage vor allem diejenigen, die sich - paradox genug - den Luxus einer abgeschirmten Privatresidenz am heimischen Wellness-See leisten können. ... Deshalb ist die Wiederherstellung traditioneller Ferienrituale mehr als ein Rückfall in den alten Reisetourismus. Sie ist, unter anderem, auch eine Bekräftigung dafür, dass unser Leben vor dem Coronavirus keine durchgehend katastrophale Fehlleistung war. Im Gegenteil, unsere Sehnsucht nach fernen Ländern lässt - Ferienstress hin oder her - für die Masse der Sonnenhungrigen ein bisschen vom Glanz des guten Lebens jenseits des grauen Alltags spürbar werden, und sei’s im Wohnwagenpark.“
Reisen muss wieder zu etwas Besonderem werden
Ein grundsätzliches Umdenken im Tourismus fordert Sábado:
„Der Tourismus, den wir in den letzten Jahrzehnten kennengelernt und praktiziert haben, hat den außergewöhnlichen Aspekt des Reisens und die Begegnung mit dem Unbekannten trivialisiert. Das hektische Be- und Entladen von Menschen an den Flughäfen europäischer Städte ist zur Gewohnheit geworden. ... Es geht nicht darum, den Massentourismus zu dämonisieren, sondern darum, ihn nach Kriterien des Kulturmanagements neu zu gestalten, zu dezentralisieren und seine Attraktionen zu diversifizieren. Bisher war es ein Modell, das auf der gierigen Erkundung von Gebieten basierte und in dem Touristen behandelt wurden, als wären sie Waren.“
Mit der Vorsicht nicht übertreiben
Die Regierung in Dublin rät den Iren dringend von Auslandsreisen ab und verpflichtet alle Einreisenden und Rückkehrer zu einer 14-tägigen Quarantäne. The Irish Times findet das überzogen:
„Den Leuten zu sagen, sie sollen ihren Sommerurlaub absagen und nur in Irland Urlaub machen, geht einen Schritt zu weit. Wird die Verhinderung von Auslandsreisen dazu führen, dass wir Covid-19 zurückdrängen, wenn sich das Virus unter jenen in Irland ständig weiterverbreitet, die nie verreist sind? Wir müssen uns darauf konzentrieren, gut auf das Aufflammen von Covid-19-Clustern in Irland vorbereitet zu sein, denn dazu wird es kommen. Wir müssen unsere Bürger weiter über Prävention aufklären. Haben wir bei allem, was wir tun, die gesundheitliche Sicherheit im Auge. Doch wir können nicht weiter auf Lockdowns, soziale Distanzierung und Reiseverbote setzen.“
Inlandstourismus als Strohhalm
Kolumnistin Xenia Tourki beschreibt in Phileleftheros die aktuelle Stimmung auf Zypern:
„Der Sommer 2020 erinnert an die 1980er Jahre. … Nach langer Zeit stehen wir Einheimischen wieder im Rampenlicht. Ohne die Horden ausländischer Touristen wirft die Branche nicht nur hier bei uns, sondern auch in anderen Ländern endlich einen Blick auf die Inlandstouristen. Ob sie es will oder nicht, zumindest für dieses Jahr, hängt ihr Überleben ganz von ihnen ab. Von Profit keine Rede. Das einzige Ziel für diesen Sommer ist schlicht, zu überleben. Mehr nicht.“