5G-Ausbau: Folgt Europa Londons Kehrtwende?
Noch im Januar hatte London trotz Druck aus den USA entschieden, dass sich der chinesische Weltmarktführer Huawei in Großbritannien am Aufbau des neuen Mobilfunknetzes 5G beteiligen darf. Nun untersagt die Regierung genau dies, bereits verbaute Teile werden aus dem Netz entfernt. Kommentatoren diskutieren, wie sich der Rest Europas nun positionieren soll.
Großbritannien stellt sich auf die Seite der USA
Kolumnist Gianni Riotta sieht in La Stampa einen Zusammenhang mit aktuellen Scharmützeln zwischen chinesischen und US-amerikanischen Kriegsschiffen:
„Die amerikanischen Flugzeugträger USS Reagan und USS Nimitz scheinen mit ihren zweihunderttausend Tonnen Gewicht und vier Kernreaktoren wenig mit den unsichtbaren Reizen des Digitalen zu tun zu haben. Und doch gibt es eine klare Verbindung zwischen ihrer Kreuzfahrt im Südchinesischen Meer und dem klaren Nein, das der britische Premier Boris Johnson am Dienstag zu den Vereinbarungen mit dem chinesischen Riesen Huawei über 5G in London verkündete. ... Das Duell zwischen den USA und China verschärft sich im Wahlkampf zwischen Donald Trump und Joe Biden, und London hat eine Entscheidung gefällt. ... Es stellt sich auf die Seite Washingtons, wohl wissend, dass die strategische Rivalität mit Peking durch einen Sieg Bidens nicht abflauen wird.“
Europa in der Zwickmühle
London hat sich entschieden, kommentiert De Tijd:
„Im digitalen kalten Krieg geht es um Macht. Die USA wollen ihren Vorsprung in wichtigen Teilen der digitalen Welt nicht aufgeben und versuchen zu verhindern, dass China ein großer Konkurrent wird. ... Europa bewegt sich Richtung USA, weil es nicht anders kann. ... Die Angst vor amerikanischen Sanktionen sitzt tief. Die USA haben den Ruf, weltweit einzugreifen, wenn ihre Sanktionen nicht befolgt werden. ... Europäische Länder und Unternehmen werden für ihre Haltung unweigerlich einen Preis bezahlen. Auch China wird ihnen Sanktionen auferlegen. Damit gerät der Welthandel weiter unter Druck.“
Kritik unbedingt, aber bitte keinen Krieg
Augenmaß im Umgang mit China, mahnt Berlingske an:
„Bezüglich der Methoden, China Grenzen zu setzen, müssen wir nicht einer Meinung mit den Amerikanern sein. Wir werden nicht mit Kriegsschiffen in den Fahrwassern vor China Präsenz markieren. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass starker Protest, übermittelt durch effektive Diplomatie und in direkten Gesprächen mit Peking, der Weg zum Erfolg sind. Denn leider befinden wir uns in einer Phase des Konflikts, wo es richtig gefährlich werden kann, wenn beispielsweise ein Kriegsschiff einen Fehler macht. ... China muss klare Ansagen bekommen, dass sein Handeln nicht in eine liberale Weltordnung passt und Konsequenzen haben wird. Aber diese Konsequenz ist nicht Krieg, sondern Ausschluss von internationalen Foren und Isolation - bis die Chinesen lernen, dass Größe verpflichtet.“
Pekings verlängerter Arm
Der Westen muss seine Naivität im Umgang mit China ablegen, warnt Svenska Dagbladet:
„Die Welt scheint sich einem Zustand zu nähern, der dem Kalten Krieg ähnelt. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass China heute den Kapitalismus als sicherheitspolitische Waffe verwendet. Man schützt die eigenen Märkte und öffnet lediglich Teile für die Konkurrenz. Gleichzeitig nutzt man vermeintlich private Unternehmen, um sich Einfluss im Westen zu erkaufen, wo man dann frei konkurrieren kann. Es ist ein ungleiches Spiel mit Vorteilen für China, das schon viel zu lange so geht. ... Handelspolitik ist auch Sicherheitspolitik. Chinesische Unternehmen wie Huawei sind der verlängerte Arm des Staates. Als solchen und als nichts anderes muss man sie auch sehen.“
Vorbehalte wie in einer Verschwörungstheorie
Aus Paranoia wird Fortschritt verspielt, kommentiert The Spectator:
„Die angstvolle Vermutung ist, dass Huawei - sprich China - einen mysteriösen Weg gefunden hat, aus der Ferne auf Hardware im britischen Netzwerk zuzugreifen (was plausibel klingt) und dann diese Daten unbemerkt nach China zu schaffen (was nicht plausibel klingt). ... Das grenzt an eine Verschwörungstheorie. ... Letztlich sind es die britischen Bürger, die am meisten unter der Huawei-Entscheidung leiden werden. Denn auf dem Markt gibt es keinen vergleichbaren Konkurrenten, der diese Technologie bietet – eine Technologie, die selbstfahrenden Autos ermöglicht, deinen Einkauf nach Hause zu bringen und die Möglichkeiten erhöht, von Zuhause zu arbeiten.“