Ist Corona der Sargnagel für die Kinos?
In vielen Ländern haben die Kinos nach dem Lockdown wieder geöffnet. Doch insbesondere für kleine Betreiber lohnt sich der Betrieb kaum, da die Abstandsregeln weniger Ticketverkäufe zulassen. Weitere Zuschauer bleiben aus Angst vor Ansteckung weg, oder weil sie sich an die Bequemlichkeit der Streamingdienste gewöhnt haben. Die Branche hat ihre Lage zum Teil selbst verschuldet, finden Kommentatoren.
Ein Auslaufmodell
Das Filmgeschäft verlagert sich immer mehr auf die Streamingplattformen, bedauert die Wiener Zeitung:
„Jetzt also auch Disney. Verschiebt wegen Corona mehrmals seinen heurigen Blockbuster Mulan und setzt ihn schließlich auf 'Ohne Termin'. Dann tut sich pandemiebedingt ein Riesen-Finanzloch auf. ... Man beschließt, Mulan nun doch nicht mehr ins Kino zu bringen, sondern ab 4. September direkt auf dem konzerneigenen Streamingdienst Disney Plus zu starten. Zum Zusatzpreis von 29,99 Dollar. Das letzte Tabu, die Umgehung des Verwertungsweges Kino, ist gefallen. ... Das Kino scheint gegen die Entwicklungen wehrlos zu sein - im Augenblick sieht es leider so aus, als wäre es weltweit ein Auslaufmodell.“
Gute Filme füllen die Säle auch
Der Tages-Anzeiger sieht durchaus Möglichkeiten, um die Kinobranche zu erhalten:
„Selbstverständlich sind die Kinos in der Krise. Wie in vielen Branchen werden die Karten, beschleunigt durch das Virus, neu gemischt. Dazu gehört, dass das Nebeneinander zwischen Online und Vorstellungen im Saal anders definiert wird. Im Arthouse-Bereich erahnt man, wie das funktionieren könnte: ein breites Angebot online, das in seiner Vielfalt Lust macht auf diesen einen Film, den man sich im Saal ansehen möchte. Das kann nicht nur mit Nischenfilmen funktionieren, sondern auch mit Hollywood-Produktionen. Die Traumfabrik muss uns, auch um ihre an Bedeutung zunehmenden Onlinedienste zu bewirtschaften, mit Filmen versorgen, die in den Sälen laufen.“
Das Klagen der Bequemen
Frankreichs Kinobetreiber bemängeln vielfach das Fehlen attraktiver Filme, die die Menschen wieder in die Kinos locken. Libération ist schockiert:
„Dieser Diskurs, der erstaunlicherweise von der Kulturministerin übernommen wurde, enthält ein schreckliches Geständnis eines Berufsstands, dem eigentlich keine kreativen und ermutigenden Antworten auf die Krise fehlen. Doch er versteht sich zum Teil mehr als Registrierkasse großer Produktionen mit aufgeblähten millionenschweren Marketingkampagnen denn als Mittler der so starken, ehrgeizigen und beliebten Vielfalt, die den französischen Markt auszeichnet. Statt Netflix oder Youtube ist es letztendlich die Pandemie, die der 'kulturellen Ausnahme' den letzten Stoß versetzt hat. Das Virus hat seine konservative Bequemlichkeit ans Licht gebracht.“