EU berät über Sanktionen gegen Belarus
Wegen der mutmaßlichen Fälschung der belarusischen Präsidentschaftswahl diskutiert die Europäische Union Sanktionen gegen das Land. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, die Wahl sei weder frei noch fair abgelaufen. Weiter kritisierte er die Gewalt der Behörden und die massenhafte Inhaftierung von Demonstranten und Journalisten. Für welches Vorgehen sollte sich Brüssel nun entscheiden?
Kapital einfrieren und Reisen verbieten
Die EU muss den Verantwortlichen in Belarus die Daumenschrauben ansetzen, fordert Expressen:
„Vor der Corona-Pandemie haben die EU-Außenminister eine Grundsatzentscheidung getroffen, die es ermöglicht, Menschenrechtsverbrecher in Drittländern durch die so genannten Magnitski-Regeln zu bestrafen, indem man ihr Kapital einfriert und sie mit einem Reiseverbot belegt. Wie der stärkste Befürworter der Regeln, der Geschäftsmann Bill Browder, diese Woche festgestellt hat, passen diese ideal auf Lukaschenko und seine Handlanger. Die EU sollte den Gesetzgebungsprozess beschleunigen, das Gesetz verabschieden und es gleich anwenden.“
Unser Revolutionseifer wird nichts bewegen
Niemand sollte darauf hoffen, dass Sanktionsdrohungen von EU-Politikern irgendeinen Einfluss auf die Zukunft Belarus' hätten, meint Journalist Indrek Kiisler in ERR:
„Mir bereitet der Eifer Sorge, mit dem in Estland und im Westen die Revolutionsflamme in Belarus angeheizt wird. ... Man darf zwar die Freiheitsbestrebungen nicht verachten, aber letztlich muss man einsehen, dass Belarus nicht die Ukraine ist. Belarus ist ein Anhängsel von Russland, sein Schicksal wird am Ende doch im Kreml entschieden. Moskau wird das Regime und den Staat von Belarus sofort liquidieren, wenn dessen Wesen sich gegen die Interessen Russlands stellt. ... Natürlich wollen sich auch die meisten Politiker in Estland als Vorkämpfer für die Demokratie zeigen, aber dies ist besonders widerlich zu beobachten, wenn man weiß, dass die Auftritte sich vorwiegend an das Heimatpublikum richten.“
Warschau als Vermittler einsetzen
Der Politikexperte Radu Carp erinnert in Adevărul an das Angebot Polens, für die EU in Minsk zu vermitteln:
„Bislang haben sich Europas Regierende nicht offiziell dazu geäußert, der Vorschlag soll auf dem nächsten EU-Gipfel diskutiert werden. Es könnte sein, dass es dann zu spät ist. Polen hat bereits 2014 in der Ukraine Vermittlungserfahrungen gemacht, auch wenn sie damals nicht das gewünschte Ergebnis brachten und die brutale Niederschlagung der demokratischen Opposition stoppen konnten. Auch jetzt wird die Vermittlung der EU die Lage in Minsk nicht lösen können, doch es wäre eine notwendige symbolische Geste. Die bloße Anwesenheit von EU-Vertretern in Minsk wird der Zivilgesellschaft die Botschaft vermitteln, dass die EU die Situation aufmerksam verfolgt und sich an der Demokratisierung von Belarus beteiligen will.“